Hinweis PStTG oder "ade Marktplatz"? (lang aber wichtig)

berlinonaut

Administrator
Teammitglied
Im November letzten Jahres hat unsere Bundesregierung in ihrer unendlichen Weisheit mal wieder ein neues Gesetz verabschiedet, das weitgehend unbemerkt zum 1.1.2023 in Kraft getreten ist, das "Plattformen-Steuertransparenzgesetz" (PStTG). Also genauer heisst das Ding eigentlich "Gesetz über die Meldepflicht und den automatischen Austausch von Informationen meldender Plattformbetreiber in Steuersachen (Plattformen-Steuertransparenzgesetz - PStTG)".

Das ganze dient zur Umsetzung einer EU-Richtlinie und die grundsätzliche Intention scheint nachvollziehbar: Menschen, die auf irgendwelchen Marktplätzen und Kleinanzeigenplattformen im Internet Waren und Dienstleistungen anbieten unter dem Deckmäntelchen des Privatnutzers und damit relevantes Einkommen an der Steuer vorbei erzielen sollen das künftig nicht mehr so einfach tun können. Sprich es geht um Steuerhinterziehung. So weit so nachvollziehbar.

Um da Gegenzusteuern werden die Plattformbetreiber wie etsy, ebay, ebay Kleinanzeigen etc. verpflichtet, solche Umsätze automatisiert an die Finanzbehörden zu melden. Erscheint immer noch nachvollziehbar, bei der konkreten Umsetzung bzw. Umsetzbarkeit kommen mE jedoch viele Fragen auf. Die können uns jedoch erst mal egal sein, uns interessiert eigentlich nur ob und ggf. wie das unser Forum betrifft. Und das sieht irgendwie nach schlechten Nachrichten aus, zumindest auf den ersten, schnellen Blick.

Ich habe mir das Gesetz durchgelesen und obwohl ich einigermaßen hartgesotten bin was Gesetzestexte angeht hat mir nach kurzer Zeit das Hirn geflimmert und ich musste mal wieder an den neulich schon zitierten Absatz aus dem "Handbuch der Rechtsförmlichkeit" des Bundesjusitzministeriums denken:

Vorschriftentexte müssen sprachlich richtig und möglichst für jedermann verständlich gefasst sein (§ 42 Absatz 5 Satz 1 GGO). Wer Rechtsvorschriften formuliert, muss also darum ringen, sie sprachlich so genau zu fassen, wie es nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Betroffenen sollen auf Grund der gesetzlichen Regelung in der Lage sein, den rechtlichen Rahmen ohne juristische Beratung zu erkennen und ihr Verhalten entsprechend auszurichten. (...) Insofern besteht eine enge Beziehung zum (inhaltsbezogenen) verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (Rn. 52 Punkt 7.1. der verfassungsrechtlichen Kontrollfragen); nur eine klare Gesetzessprache schafft Normenklarheit. Gesetze, die sich nur „mit subtiler Sachkenntnis, außerordentlichen methodischen Fähigkeiten und einer gewissen Lust zum Lösen von Denksport-Aufgaben“20 erschließen, erfüllen diese Ansprüche nicht.

Das vorliegende Gesetz erfüllt das in meinen Augen definitiv nicht...

Im PStTG heisst es nun:

(1) Eine Plattform ist jedes auf digitalen Technologien beruhende System, das es Nutzern ermöglicht, über das Internet mittels einer Software miteinander in Kontakt zu treten und Rechtsgeschäfte abzuschließen, die gerichtet sind auf
1. die Erbringung relevanter Tätigkeiten (§ 5) durch Anbieter für andere Nutzer oder
2. die Erhebung und Zahlung einer mit einer relevanten Tätigkeit zusammenhängenden Vergütung.
Eine Plattform liegt auch vor, wenn der Betreiber des Systems mit Anbietern oder anderen Nutzern Rechtsgeschäfte abschließt, die auf die Nummern 1 oder 2 in Satz 1 gerichtet sind. Unbeschadet der Sätze 1 und 2 handelt es sich unter anderem nicht um eine Plattform, wenn die Software ausschließlich ermöglicht:
1. die Verarbeitung von Zahlungen, die im Zusammenhang mit einer relevanten Tätigkeit erfolgen;
2. das Auflisten einer relevanten Tätigkeit oder die Werbung für eine relevante Tätigkeit durch Nutzer oder
3. die Umleitung oder Weiterleitung von Nutzern auf eine Plattform.
(2) Ein Plattformbetreiber ist jeder Rechtsträger, der sich verpflichtet, einem Anbieter eine Plattform ganz oder teilweise zur Verfügung zu stellen.
(3) Ein freigestellter Plattformbetreiber ist ein Plattformbetreiber, der
1. gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern nach § 11 oder
2. gegenüber der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union im Einklang mit den dort geltenden Rechtsvorschriften den Nachweis erbracht hat, dass die von ihm betriebene Plattform nicht von meldepflichtigen Anbietern genutzt werden kann.
(4) Ein meldender Plattformbetreiber ist ein Plattformbetreiber, bei dem es sich nicht um einen freigestellten Plattformbetreiber handelt und der
1. seinen Sitz oder seine Geschäftsleitung
a) im Inland hat,
b) nicht im Inland hat, aber
aa) nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland eingetragen ist oder,
bb) eine Betriebsstätte im Inland hat und kein qualifizierter Plattformbetreiber (§ 7 Absatz 1) ist oder
2. kein qualifizierter Plattformbetreiber ist und
a) in keinem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach den dort geltenden Rechtsvorschriften steuerlich ansässig ist,
b) in keinem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Voraussetzungen entsprechend der Nummer 1 erfüllt und
c) eine Plattform betreibt, die
aa) die Erbringung relevanter Tätigkeiten durch meldepflichtige Anbieter ermöglicht oder
bb) die Erbringung relevanter Tätigkeiten nach § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ermöglicht, wenn das unbewegliche Vermögen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union belegen ist.


Alles klar? Und das ist nur die Begriffsdefinition für das Wort Plattformbetreiber.... Weiter geht's:

§ 4 Nutzer; Anbieter
(1) Ein Nutzer ist jede natürliche Person oder jeder Rechtsträger, die oder der eine Plattform in Anspruch nimmt. Nutzer ist nicht der Plattformbetreiber.
(2) Ein Anbieter ist jeder Nutzer, der zu irgendeinem Zeitpunkt im Meldezeitraum auf einer Plattform registriert ist und eine relevante Tätigkeit anbieten kann.
(3) Ein bestehender Anbieter ist jeder Anbieter, der auf einer Plattform am 1. Januar 2023 registriert ist. Wird ein Rechtsträger zu einem Zeitpunkt nach dem 1. Januar 2023 erstmals meldender Plattformbetreiber, so gelten alle Anbieter, die zu diesem Zeitpunkt bereits registriert sind, als bestehende Anbieter.
(4) Ein aktiver Anbieter ist ein Anbieter, der im Meldezeitraum eine relevante Tätigkeit erbringt oder dem im Meldezeitraum eine Vergütung gezahlt oder gutgeschrieben wird, die im Zusammenhang mit einer relevanten Tätigkeit steht.
(5) Ein freigestellter Anbieter ist jeder Anbieter, der
1. ein staatlicher Rechtsträger ist,
2. ein Rechtsträger ist, dessen Aktien regelmäßig an einer anerkannten Wertpapierbörse gehandelt werden, oder ein verbundener Rechtsträger eines Rechtsträgers ist, dessen Aktien regelmäßig an einer anerkannten Wertpapierbörse gehandelt werden,
3. ein Rechtsträger ist, der im Meldezeitraum unter Inanspruchnahme derselben Plattform in mehr als 2 000 Fällen relevante Tätigkeiten nach § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 in Bezug auf eine inserierte Immobilieneinheit (§ 6 Absatz 7) erbracht hat oder
4. im Meldezeitraum unter Inanspruchnahme derselben Plattform in weniger als 30 Fällen relevante Tätigkeiten nach § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 erbracht und dadurch insgesamt weniger als 2 000 Euro als Vergütung gezahlt oder gutgeschrieben bekommen hat.
Ein Anbieter, der ausschließlich die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 oder Nummer 4 erfüllt, ist nur in Bezug auf die dort genannte relevante Tätigkeit ein freigestellter Anbieter.

§ 5 Relevante Tätigkeit; Vergütung
(1) Eine relevante Tätigkeit ist jede der folgenden Tätigkeiten, wenn sie gegen eine Vergütung erbracht wird:
1. die zeitlich begrenzte Überlassung von Nutzungen und anderen Rechten jeder Art an unbeweglichem Vermögen;
2. die Erbringung persönlicher Dienstleistungen;
3. der Verkauf von Waren;
4. die zeitlich begrenzte Überlassung von Nutzungen und anderen Rechten jeder Art an Verkehrsmitteln. (...)


Den Rest des Gesetzestextes erspare ich Euch mal - das Ding hat fröhliche 18 Seiten.

Kurz gesagt: Wer, in welcher Form auch immer, ein Kleinanzeigenangebot ermöglicht ist prinzipiell Plattformbetreiber und damit vom Gesetz betroffen. Also wohl auch wir. Umsätze von über 2000€ pro Jahr oder mehr als 30 Angebote pro Jahr und User müssen automatisiert an die Steuerbehörden gemeldet werden. D.h. wer ein Titan- oder Rohloff-Brommi verkauft oder ein Brompton Electric ist fällig. Und da das passieren kann sind die Bromptonauten als Plattform fällig.

Das bedeutet - folgt man den Buchstaben des Gesetzes - wir müssten
1. eine Schnittstelle zum Bundeszentralamt für Steuern implementieren und darüber automatisiert die Daten über Verkaufsangebote pumpen
2. zwingend von Anbietern auf dem Marktplatz validierte persönliche Daten erheben und diese weitergeben und zwar:

(2) Meldende Plattformbetreiber haben für jeden meldepflichtigen Anbieter, der eine natürliche Person ist, die folgenden Informationen zu melden:
1. den Vor- und Nachnamen;
2. die Anschrift des Wohnsitzes;
3. jede Steueridentifikationsnummer, die dem Anbieter erteilt wurde, und den jeweiligen Mitgliedstaat der Europäischen Union, der sie erteilt hat, oder, sofern keine Steueridentifikationsnummer vorhanden ist, den Geburtsort;
4. sofern vorhanden, die Identifikationsnummer für Umsatzsteuerzwecke;
5. das Geburtsdatum;
6. sofern vorhanden, die Kennung des Finanzkontos, es sei denn, in einer auf der Internetseite des Bundeszentralamts für Steuern veröffentlichten Liste ist angegeben, dass die zuständige Behörde des Mitgliedstaats der Europäischen Union, in dem der Anbieter als ansässig gilt oder in dem das unbewegliche Vermögen belegen ist, in Bezug auf das der Anbieter relevante Tätigkeiten nach § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erbracht hat, die Kennung des Finanzkontos nicht zu verwenden beabsichtigt;
7. sofern vorhanden, den Namen des Inhabers des Finanzkontos, wenn er von dem Namen des Anbieters abweicht, sowie alle sonstigen der Identifizierung des Kontoinhabers dienlichen Informationen;
8. jeden Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Anbieter als ansässig gilt oder in dem das unbewegliche Vermögen belegen ist, in Bezug auf das der Anbieter relevante Tätigkeiten nach § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erbracht hat;
9. jegliche Gebühren, Provisionen oder Steuern, die in jedem Quartal des Meldezeitraums von dem Plattformbetreiber einbehalten oder berechnet wurden;


Voraussetzung für die automatisierte Schnittstelle und die Datenerhebung ist wie gesagt nicht, dass das tatsächlich passiert mit den Umsätzen oder Verkaufsfrquenzen sondern daß es theoretisch möglich wäre.

Mal im Ernst: Die sind doch besoffen! Das ist weder realistisch noch leistbar, schon gar nicht für ein kleines Forum wie unseres. ergo stellt sich die Frage, ob wir nicht unseren Marktplatz schlicht einstellen müssen, um nicht im Knast zu landen.
Ersichtlich, daß Bürokraten und Politiker mal wieder komplett praxisferne Gesetze erstellen und um ein staatliches Problem zu lösen einen absurden, nicht zu rechtfertigenden Aufwand bei anderen erzeugen, der dazu führt, daß Monopole gestärkt werden. Facebook, ebay und Co können sich leisten, so einen Kram zu implementieren, wir nicht und anderen Kleine Anbieter auch nicht. Eine simple Ausnahmeregelung wäre jetzt nicht so schwer gewesen und darauf zu kommen, daß das sinnvoll und nötig wäre, auch nicht. Ergo: Wir brauchen Bundestagsabgeordnete als Forenmitglieder.

Nach dem Gesetz ist ja z.B. auch jeder betroffen, der seinen privaten Gebrauchtwagen verkauft. Das kann ja nicht steuerpflichtig sein. Ein LimitedEdition Brommi mit spekulativem Gewinn zu verkaufen vielleicht hingegen schon. Es empfiehlt sich also wohl so oder so künftig Kaufquittungen für alles und jedes pedantisch aufzuheben. Und vermutlich auch, kleine Dinge lieber wegzuschmeissen (oder zu verschenken) als zu verkaufen, wegen der 30 Artikel-Grenze pro Jahr.


Was werden wir tun? Im Moment ist noch Überlegensphase - ich bin erst gestern überhaupt auf das Thema gestossen. Wahrscheinlich: Erst mal abwarten, was die Grossen machen. Ein Angebotspreis ist ja nicht gleich einem Verkaufspreis, wenn der Anzeigenplattformbetreiber kein Payment anbietet kann er den Preis gar nicht wissen und auch nicht, ob das Angebot überhaupt verkauft wurde. Da sind unendlich viele Fragen offen. Und irgendwann wird hoffentlich auch irgendwem auffallen, dass Sie mit einer Riesenkanone auf ein sehr winziges Forum wie unseres schiessen.
Mal völlig ab davon, daß das Gesetz am 20.11. verabschiedet wurde und am 1.1. in Kraft trat. In der Zeit kriegt auch kein Facebook, ebay oder sonst irgendwer so was implementiert. Weder von den Voraussetzungen her, geschweige denn der technischen Umsetzung. Dass es diese Schnittstelle beim Bundeszentralamt für Steuern überhaupt schon gibt halte ich für unwahrscheinlich, dass sie dokumentiert und zugänglich wäre für illusorisch. Von den vielen Rechts- und Implementierungsfragen (der ganze Spass hat ja z.B. auch massive DSGVO-Auswirkungen) ganz abgesehen.
Sprich: Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass da jemand großes klagt, wenn das Thema mal irgendwem auffällt. Und solange sind wir alle illegal und gehen in den Untergrund. Danke, Regierung.

Plan B wäre, via der eh anstehendenden neuen Nutzungsbedingungen nicht nur, wie eh schon in der neuen Fassung drinstehend, die Nutzung des Marktplatzes auf private Kleinanzeigen zu beschränken sondern auch das Verkaufsvolumen zu deckeln.
Plan C wäre, das auch zu überwachen und
Plan D schliesslich, den Marktplatz zu schliessen für eigene Angebote. Hoffen wir, dass es nicht dazu kommt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wer sich über den ganzen Scheiss informieren möchte:
• über diesen Artikel bin ich auf das Thema gestossen: Ebay, Etsy und Co.: Einnahmen aus privaten Verkäufen ab 2000 Euro steuerpflichtig
• Hier ist die Kommunikation des Bundestags dazu samt diverser verlinkter Dokumente: Deutscher Bundestag - Neue Meldepflicht für Betreiber digitaler Plattformen beschlossen
• hier ist der Gesetzestext in diversen Formaten: PStTG - nichtamtliches Inhaltsverzeichnis (das pdf ist am besten lesbar in diesem Fall)
• hier ist ein Überblicksartikel: Plattformen-Steuertransparenzgesetz - alle privaten Verkäufe werden ans Finanzamt gemeldet (die Kommentare sollte man besser nicht lesen, da sind ziemlich viele Rechtsausleger dabei - und das meine ich nicht juristisch...)
 
Eine gute Erläuterung der juristischen Lesart dieser Definition der "Plattform" in §3 habe ich im (aufzufaltenden) Kapitel zum PStTG in diesem Artikel eines Steuerberaters und Rechtsanwalts gelesen.
 
Eine gute Erläuterung der juristischen Lesart dieser Definition der "Plattform" in §3 habe ich im (aufzufaltenden) Kapitel zum PStTG in diesem Artikel eines Steuerberaters und Rechtsanwalts gelesen.
Dankeschön! Der Mann interpretiert ja das, was ich oben aus dem Gesetz zitiert habe und schreibt:

Eine Plattform im obigen Sinne wird legal definiert und ist jedes auf digitalen Technologien beruhende System, das es Nutzern ermöglicht, über das Internet mittels einer Software miteinander in Kontakt zu treten und Rechtsgeschäfte abzuschließen (§ 3 PStTG). Dabei muss das Rechtsgeschäft mittels der Plattform abgeschlossen werden können, die bloße Vermittlung von Möglichkeiten zu einem Geschäftsabschluss wird nicht erfasst.

Bloss ist seine Interpretation weder rechtsgültig noch vollständig oder eindeutig. Wenn ein Verkauf via PN zustande kommt wird das Rechtsgeschäft via der Plattform abgeschlossen. Das ist nicht - wie man aufgrund seiner Interpretation annehmen könnte - eine blosse Vermittlung, die nicht erfasst wird. Ich halte seine Aussagen mindestens für missverständlich, je nach Intention auch für falsch. Im Prinzip paraphrasiert er lediglich den Gesetzestext und lädt durch die deutliche Verkürzung dabei zu Fehlannahmen ein.

In meinen Augen hat der Gesetzgeber hier schlicht schlampig gearbeitet. Weil er etwas erreichen will, das sich nicht mit den gewählten Mitteln erreichen lässt: Wenn über die Plattform keine Bezahlung stattfindet kann der Plattformbetreiber nicht wissen, ob überhaupt ein Geschäft zustandegekommen ist und wenn ja zu welchem Preis. Ob ein Geschäft zustandegekommen ist könnte ein Plattformbetreiber nur wissen, wenn er die privaten Nachrichten läse. Selbst wenn er das technisch könnte wäre das ein schwerer Datenschutzverstoss und Grundrechtseingriff.
Gefordert wird hier auf Verdacht, allein aufgrund der blossen Möglichkeit, dass ein Geschäft angeboten (nicht durchgeführt) werden könnte eine extrem umfangreiche Datensammlung. Das ist in meinen Augen ein heftiger Verstoß gegen das gesetzliche Gebot der Datensparsamkeit; bei einer Rechtsgüterabwägung würde das so meines Erachtens fast sicher durchfallen. Völlig ab von praktischen Erwägungen, wie und mit welchem Aufwand das überhaupt und noch dazu datenschutzkonform umsetzbar sein soll.
Wie der Gesetzgeber die anfallenden Datenmengen für erstellte Angebote überhaupt verarbeiten und prüfen will, wie er von da zu tatsächlichen Umsätzen kommen will und wie er da überhaupt eine Besteuerung ableiten will ist mir ein vollständiges Rätsel. Ich muss als Selbständiger natürlich meinen Gewinn versteuern, nicht aber meinen Umsatz (ab von der Mehrwertsteuer). Dasselbe müsste man einem Privatmann auch zubilligen. Um dem zu entgehen bedeutet das, in Zukunft müsste jeder Bürger des Landes für alles, was er irgendwann möglicherweise zu verkaufen gedenkt die Quittungen aufheben und eigentlich jedes Jahr eine Einnahme-Überschussrechnung machen, wie jeder Kleinselbständige ohne Mehrwertsteuerpflicht. Das ist schlicht grotesk.
Der Staat macht hier mit einem extrem schlampigen Gesetz alle möglichen Leute zu Hilfssherrifs für Daten, die der Staat selbst niemals bewältigen kann und generiert hierbei eine Datensammlung auf staatlicher Ebene, die einen tiefen Eingriff in's Privatleben darstellt. Und von der 99% komplett am eigentlichen Ziel der Steuererhebung vorbei sind und völlig normale Leute betreffen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das funktioniert und dass das legal sein soll schon gleich gar nicht.
Und da der Bundestag darüber positiv abgestimmt hat bleibt eigentlich nur der Schluss, dass jeder einzelne Abgeordenete, der dem zugestimmt hat, entweder extrem böswillig ist oder nicht verstanden habt, was genau das Gesetz macht, das er oder sie da befürwortet (also inkompetent) oder schlicht gar nicht erst gelesen hat, worüber er oder sie abstimmt. Alles drei keine schönen Optionen.

Die (erste) praktische Konsequenz, die ebay-Kleinanzeigen offenbar gezogen hat aus der neuen Gesetzeslage: Seit jüngstem werden nicht mehr gelistete Verkaufsangebote nun nicht mehr wie bisher als "verkauft" bezeichnet sondern als "gelöscht"
 
Erstmal Dank an dich, @berlinonaut , dass du das Thema im Blick hast.

In § 3 Abs. 1 Satz 1 PStTG heißt es :
(1) Eine Plattform ist jedes auf digitalen Technologien beruhende System, das es Nutzern ermöglicht, über das Internet mittels einer Software miteinander in Kontakt zu treten und Rechtsgeschäfte abzuschließen, die gerichtet sind auf […]

Die Formulierung lässt offen, ob sich das Merkmal „mittels einer Software“
nur auf
miteinander in Kontakt zu treten“
bezieht
oder auf
„miteinander in Kontakt zu treten und Rechtsgeschäfte abzuschließen“.

Ausgehend von der üblichen Bedeutung des Wortes „und“ in juristischen Texten und dort in Aufzählungen tendiere ich – wie der Steuerberater und Rechtsanwalt Speidel, auf den @valkoinen hingewiesen hat – zu letzterer Auslegung. Das hieße, dass Bromptonauten nicht unter die Legaldefinition des § 3 Abs. 1 PStTG fiele, weil die Software selbst nicht den Geschäftsabschluss ermöglicht.
 
Ausgehend von der üblichen Bedeutung des Wortes „und“ in juristischen Texten und dort in Aufzählungen tendiere ich – wie der Steuerberater und Rechtsanwalt Speidel, auf den @valkoinen hingewiesen hat – zu letzterer Auslegung. Das hieße, dass Bromptonauten nicht unter die Legaldefinition des § 3 Abs. 1 PStTG fiele, weil die Software selbst nicht den Geschäftsabschluss ermöglicht.
Es gibt keinen "kaufen" Button aber es gibt PNs. Und die ermöglichen rechtsgültige Vertragsabschlüsse - genau so werden üblicherweise Verkäufe im Marktplatz abgewickelt...
 
Es gibt keinen "kaufen" Button aber es gibt PNs. Und die ermöglichen rechtsgültige Vertragsabschlüsse - genau so werden üblicherweise Verkäufe im Marktplatz abgewickelt...
Allein, dass Nutzer per PN oder auch ganz offen in einem Thread kommunizieren können, heißt bei engerer Auslegung des Gesetzestextes noch nicht, dass die Software (unmittelbar, z.B. wie bei einem „Kaufen-Button) den Vertragsabschluss direkt ermöglicht im Sinne von „technisch besiegelt“. Die Plattform-Software ermöglicht die Anbahnung von Vertragsabschlüssen, aber nicht den Vertragsabschluss selbst.

Bei weitergehender Auslegung des Gesetzestextes würde man bereits das schlichte Bereitstellen einer Kommunikationsmöglichkeit als „ermöglichen“ eines Vertragsabschlusses ansehen.

Wie ich schrieb, ist der Gesetzestext an dieser Stelle unscharf, weswegen sich wahrscheinlich Gerichte damit beschäftigen müssen, ihn auszulegen. Wenn ich mich recht entsinne, gibt es auch bei Ebay-Kleinanzeigen keinen „Kaufen-Button“, aber - wie du schreibst - sind auch dort schon die Warnlichter angegangen.

Wenn ich die weitergehende Auslegung mal weiterspinne, würde auch ein E-Mail-Provider es seinen Nutzern ermöglichen, miteinander in Kontakt zu treten und Geschäfte abzuschließen …

Edit: Es würde bei der Auslegung eventuell helfen, die Bundestagsdrucksache mit der Gesetzesbegründung lesen zu können. Möglicherweise ist dort ausgeführt, was der Gesetzgeber letztlich will.
 
Allein, dass Nutzer per PN oder auch ganz offen in einem Thread kommunizieren können, heißt bei engerer Auslegung des Gesetzestextes noch nicht, dass die Software (unmittelbar, z.B. wie bei einem „Kaufen-Button) den Vertragsabschluss direkt ermöglicht im Sinne von „technisch besiegelt“. Die Plattform-Software ermöglicht die Anbahnung von Vertragsabschlüssen, aber nicht den Vertragsabschluss selbst.

Bei weitergehender Auslegung des Gesetzestextes würde man bereits das schlichte Bereitstellen einer Kommunikationsmöglichkeit als „ermöglichen“ eines Vertragsabschlusses ansehen.
Eben. Wie gesagt: Der Gesetzgeber hat schlampig gearbeitet, das Gesetz genügt schon bei grobem Draufschauen nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Müsste also eigentlich allein schon deswegen "back to sender" bzw. hätte nie so verabschiedet werden dürfen. Dass das offenbar keinem der zahlreichen Bundestagsabgeordenten aufgefallen ist, unter denen ja doch zahlreiche Juristen sind, ist peinlich. Und im übrigen auch ziemlich aussagekräftig bezüglich des Themas "Digitalkompetenz" in der Politik.
Besonders "erheiternd" ist nebenbei, daß für diese Form von anlassloser Vorratsdatenspeicherung ausgerechnet der Finanzminister Lindner und der Justizminister Buschmann verantwortlich zeichnen, beide von der "Freiheitspartei", der Partei der Eigenverantwortung und der Partei der "Leistung muss sich Lohnen". Sollten dringend nachsitzen die beiden.

Wenn ich die weitergehende Auslegung mal weiterspinne, würde auch ein E-Mail-Provider es seinen Nutzern ermöglichen, miteinander in Kontakt zu treten und Geschäfte abzuschließen …
da gebricht es der Möglichkeit von (öffentlichen Listing-) Angeboten, ist insofern keine Plattform.
Edit: Es würde bei der Auslegung eventuell helfen, die Bundestagsdrucksache mit der Gesetzesbegründung lesen zu können. Möglicherweise ist dort ausgeführt, was der Gesetzgeber letztlich will.
Ist im zweiten Post des Threads verlinkt mit internen Weiterverlinkungen:

• Hier ist die Kommunikation des Bundestags dazu samt diverser verlinkter Dokumente: Deutscher Bundestag - Neue Meldepflicht für Betreiber digitaler Plattformen beschlossen
 
Zuletzt bearbeitet:
Plan B wäre, via der eh anstehendenden neuen Nutzungsbedingungen nicht nur, wie eh schon in der neuen Fassung drinstehend, die Nutzung des Marktplatzes auf private Kleinanzeigen zu beschränken sondern auch das Verkaufsvolumen zu deckeln.
Plan C wäre, das auch zu überwachen und
Plan D schliesslich, den Marktplatz zu schliessen für eigene Angebote. Hoffen wir, dass es nicht dazu kommt.

"Die Pflicht gilt für alle Plattform-Betreiber, die ihren Sitz in Deutschland oder in einem EU-Staat haben, oder nach inländischen Recht in das Handels- oder Genossenschaftsregister eingetragen sind. Auch bei einer Betriebsstätte in Deutschland besteht die Pflicht."

Ein Plan E könnte sein, das Forum in die Schweiz zu zügeln. Ob die Administratoren allerdings als Betriebsstätte in Deutschland gelten, wenn sie das Forumsmanagement von zu Hause leisten, kann ich nicht beurteilen. Könnte ich aber aus Schweizersicht abklären, falls interessant.
 
da gebricht es der Möglichkeit von (öffentlichen Listing-) Angeboten, ist insofern keine Plattform.
Nach unserem und allgemeinem Verständnis wäre das wohl eine Voraussetzung für die Annahme einer Plattform. Auch in den Gesetzesbegründungen klingt das an. E-Mail-Provider dürften demnach nicht gemeint sein, aber ich schrieb ja auch ausgehend von der Plattform-Definition des PStTG von weiter“spinnen“ und von unklarer Gesetzesformulierung.

Entscheidend für die Rechtsfolgen aus dem PStTG ist streng genommen die Plattform-Definition des PStTG. Und die fordert nicht die Möglichkeit öffentlicher Listing-Angebote, sondern allgemein die Möglichkeit „mittels einer Software miteinander in Kontakt zu treten und Rechtsgeschäfte abzuschließen“. Im Prinzip könnte auch ein E-Mail-Nutzer eine (begrenzte) Öffentlichkeit erreichen, um steuerpflichtige Aktivitäten zu entfalten. Allerdings dürfte dem Provider (wenn es mit rechten Dingen zugeht) die Kenntnis über die Angebote fehlen, was ihn einer Handels- oder Dienstleistungsplattform unterscheidet.
Aber egal – Bromptonauten, um die es uns geht, ist kein E-Mail-Provider.
 
Ein Plan E könnte sein, das Forum in die Schweiz zu zügeln.
Könnte ein lustiger Hack sein. Allerdings steckt die Tücke im Detail bzw. im Gesetz. Darin steht nämlich:

(10) Ein Drittstaat ist jeder Staat oder jedes Gebiet, der oder das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist.

§ 7 Qualifizierter Plattformbetreiber, qualifizierter Drittstaat, qualifizierte Vereinbarung, qualifizierte relevante Tätigkeit

(1) Ein qualifizierter Plattformbetreiber ist ein Plattformbetreiber,
1. der in einem qualifizierten Drittstaat ansässig ist und
2. bei dem sämtliche relevante Tätigkeiten, deren Erbringung die von ihm betriebene Plattform ermöglicht, qualifizierte relevante Tätigkeiten sind. Eine Ansässigkeit in einem qualifizierten Drittstaat liegt vor, wenn der Plattformbetreiber in einem qualifizierten Drittstaat nach den dort geltenden Rechtsvorschriften
1. steuerlich ansässig ist oder
2. steuerlich nicht ansässig ist, aber
a) nach dem Recht des qualifizierten Drittstaats eingetragen ist oder
b) den Ort seiner tatsächlichen Geschäftsleitung in dem qualifizierten Drittstaat hat.

(2) Ein qualifizierter Drittstaat ist ein Drittstaat,
1. zwischen dem und allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine qualifizierte Vereinbarung besteht und
2. der alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union öffentlich als meldepflichtige Staaten benannt hat.
(3) Eine qualifizierte Vereinbarung ist eine wirksame Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats der Europäischen Union und eines Drittstaats, die den automatischen Austausch von Informationen an eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats der Europäischen Union vorschreibt, die den meldepflichtigen Informationen nach § 14 gleichwertig sind. Die Gleichwertigkeit im Sinne von Satz 1 bestimmt sich nach den Feststellungen, die von der Europäischen Kommission im Wege von Durchführungsrechtsakten nach Artikel 8ac Absatz 7 der Amtshilferichtlinie getroffen werden.
(4) Eine qualifizierte relevante Tätigkeit ist jede relevante Tätigkeit, zu der gemäß einer qualifizierten Vereinbarung ein automatischer Austausch von Informationen vorgeschrieben ist.


Also mit anderen Worten: Keine Ahnung.

Da die Buben munter Regelungen und Definitionen durcheinanderkugeln und die Definitionen manchmal vor und manchmal nach den Regeln stehen ist das alles ein maximal untverständlicher Kram. Woher soll ich denn wissen, welche Verträge die Schweiz mit Deutschland bezüglich des automatischen Austauschs von Informationen geschlossen hat, die §14 gleichwertig sind?

Verblüffend ist, dass in dem gesamten Gesetz nirgends steht, wo das gelten soll geographisch. Offenbar ist man sehr amerikanisch unterwegs und der Meinung, das nationale Gesetz gelte weltweit und gegenüber jedem. Es ist aber noch nicht mal definiert, dass die Leistungen in Deutschland angeboten werden müssen oder die Anbieter in Deutschland anässig oder steuerpflichtig sein müssten. Im Prinzip gälte das Gesetz auch für eine lokale argentinische Kleinanzeigenplattform im Internet. Und übrigens auch für das Darknet. :devilish:

Normalerweise steht bei jedem vernünftigen Gesetz der Geltungsbereich vornedran. Hier steht:
§ 1 Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz regelt die Meldepflicht von Plattformbetreibern und den automatischen Informationsaustausch aufgrund der Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. L 64 vom 11.3.2011, S. 1; Amtshilferichtlinie) in der Fassung der Richtlinie (EU) 2021/514 (ABl. L 104 vom 25.3.2021, S. 1).
(2) Es gelten die Vorschriften der Abgabenordnung, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt


Ganz ehrlich: Die können mich mal gern haben. Wer nicht in der Lage ist ein vernünftiges und verständliches Gesetz zu verfassen braucht sich nicht beschweren, wenn man es nicht einhält.

Allerdings dürfte dem Provider (wenn es mit rechten Dingen zugeht) die Kenntnis über die Angebote fehlen, was ihn einer Handels- oder Dienstleistungsplattform unterscheidet.

Das ist ja bei uns mindestens über die tatsächlichen Preise und die tatsächlichen Vertragsabschlüsse auch so. Allerdings ist §5(2) recht verblüffend, da mir nicht klar ist ob das eine Definition ist im Sinne von "Voraussetzung, die erfüllt sein muss, damit das Gesetz greift" oder eine im Sinne von "isso, hugh, wir haben gesprochen".

§ 5 Relevante Tätigkeit; Vergütung
(1)(...)
(2) Vergütung ist jegliche Form von Entgelt, die einem Anbieter im Zusammenhang mit einer relevanten Tätigkeit gezahlt oder gutgeschrieben wird, abzüglich aller vom Plattformbetreiber einbehaltenen oder erhobenen Gebühren, Provisionen oder Steuern. Die Höhe der Vergütung ist dem Plattformbetreiber bekannt oder müsste ihm bekannt sein; dem Plattformbetreiber ist das Wissen aller mit ihm verbundenen Rechtsträger und beauftragten Dienstleister zuzurechnen. Für das Vorliegen einer Vergütung ist es unerheblich, von wem das Entgelt erbracht wird.


Ich hoffe wirklich, dass einer gegen das Ding klagt. Das ist wirklich eine Zumutung.
 
  • Like
Reaktionen: TIL
Von der Juristerei habe ich keine Ahnung. Google liefert viele Verwirrungen bei anderen Foren. Teilweise schalten die den Flohmarkt erstmal ab, z. B. Der Marktplatz ist vorerst abgeschaltet - Segeln-Forum

Da gibt es auch den Beitrag #22: "Private Autoverkäufe sind meine ich explizit ausgenommen von dem Gesetz."

Das wird sich bestimmt bald klären, wie das Gesetz ausgelegt wird. Mit der Gelassenheit eines Marathon+ Fahrers würde ich zur Sicherheit den Marktplatz abschalten und wenige Wochen abwarten. Ziel des Gesetzes sind die kommerziellen Plattformen.

Meine Steuer-ID bekommen die Bromptonauten nicht.

Hier kann man seinen Zorn abladen:
https://www.openpetition.de/petitio...privatverkaeufe-werden-ans-finanzamt-gemeldet
 
Ganz ehrlich: Die können mich mal gern haben. Wer nicht in der Lage ist ein vernünftiges und verständliches Gesetz zu verfassen braucht sich nicht beschweren, wenn man es nicht einhält.
Da stimme ich dir voll zu.

Wahrscheinlich ist es wie mit der DSGVO, sie ist nicht direkt auf Schweizer Unternehmen anwendbar. Gewisse Datenbearbeitungen können aber darunter fallen, sodass die einschlägigen Bestimmungen daraus zur Anwendung kommen. Schweizer Unternehmen können deshalb direkt betroffen sein. Im Sinne der DSGVO gilt die Schweiz als Drittland. Wie du schreibst, bestehen zwischen der EU und der Schweiz zahlreiche Abkommen, ob sie bereits das PStTG betreffen ist mir unbekannt.

Also Plan E kann man wohl auch streichen :)

@berlinonaut, danke für dein Engagement für's Forum!
 
§ 5 Relevante Tätigkeit; Vergütung
(1)(...)
(2) Vergütung ist jegliche Form von Entgelt, die einem Anbieter im Zusammenhang mit einer relevanten Tätigkeit gezahlt oder gutgeschrieben wird, abzüglich aller vom Plattformbetreiber einbehaltenen oder erhobenen Gebühren, Provisionen oder Steuern. Die Höhe der Vergütung ist dem Plattformbetreiber bekannt oder müsste ihm bekannt sein; dem Plattformbetreiber ist das Wissen aller mit ihm verbundenen Rechtsträger und beauftragten Dienstleister zuzurechnen. Für das Vorliegen einer Vergütung ist es unerheblich, von wem das Entgelt erbracht wird.


Ich hoffe wirklich, dass einer gegen das Ding klagt. Das ist wirklich eine Zumutung.

Nach Paragraf 5 Abs. 2 muss der Plattformbetreiber Kenntnis über die Höhe der gezahlten Vergütung bekannt sein oder sie müsste ihm (über sein System) bekannt sein können.
Das trifft z.B. bei Ebay und Airbnb zu, bei Bromptonauten und Ebay-Kleinanzeigen (in seiner ursprünglichen Form) nicht.
Was im Ergebnis auch für die engere Auslegung des Paragrafen 3 Abs. 1 spricht.

Edit: Ebay-Kleinanzeigen bietet seinen Nutzern inzwischen ein optionales Verfahren an, bei dem die Zahlung über Ebay abgewickelt wird und dabei mit dem konkreten Geschäft verknüpft ist. Für diese Geschäfte erfüllt Ebay-Kleinanzeigen m.E. die Voraussetzungen der Meldepflicht und Datenübermittlung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Edit: Ebay-Kleinanzeigen bietet seinen Nutzern inzwischen ein optionales Verfahren an, bei dem die Zahlung über Ebay abgewickelt wird und dabei mit dem konkreten Geschäft verknüpft ist. Für diese Geschäfte erfüllt Ebay-Kleinanzeigen m.E. die Voraussetzungen der Meldepflicht und
Ich hoffe sehr, daß das nicht verpflichtend für Nutzer eingeführt wird. Was wird dann aus Verkäufen mit Selbstabholung und Barzahlung? So lange es noch Bargeld gibt..😬🫤
 
So, weil mir so langweilig ist habe ich nun noch die Bundestagsdrucksache 20/3436 (104 Seiten :sick:) zum Gesetz und diverses andere gelesen. Liest sich nach Entwarnung. In den Ausführungsbestimmungen des Gesetzentwurfs steht (neben unfassbar viel Irrsinn) u.a. auf S.49/50:

Das Rechtgeschäft muss, um in den Anwendungsbereich des PStTG zu fallen, entweder auf die Erbringung einer relevanten Tätigkeit im Sinne des § 5 Absatz 1 (Nummer 1) oder auf die Erhebung einer mit einer relevanten Tätigkeit zusammenhängenden Vergütung (§ 5 Absatz 2) und ihre Zahlung an die Anbieter (Nummer 2) gerichtet sein. Erfasst werden grundsätzlich alle gängigen Arten von Geschäftsbeziehungen (Business-to-Business, Business-toConsumer, Consumer-to-Consumer, Consumer-to-Business). Die Anforderung an den Abschluss eines Rechtsgeschäfts stellt sicher, dass rein potentielle Geschäftsvorfälle keiner Meldung an das BZSt unterworfen werden. So soll die bloße Vermittlung von Möglichkeiten zu einem Geschäftsabschluss, wie beispielsweise in Form eines digitalen „schwarzen Bretts“, bei dem das maßgebliche Rechtsgeschäft außerhalb der Plattforminfrastruktur als Bargeschäft oder anderweitig elektronisch zustande kommt, nicht erfasst sein. Denn wäre dies der Fall, bliebe für den Plattformbetreiber unbekannt, auf wie viele Angebote der Anbieter Geschäftsabschüsse tatsächlich erfolgten bzw. ob diese überhaupt zu einem tatsächlichen Geschäftsabschluss geführt haben (siehe auch Satz 3 Nummer 2).

Demnach wären die Bromptonauten also eindeutig nicht betroffen von dem Gesetz.

Das Rechtsgeschäft muss nach Satz 1 unter Verwendung der Software geschlossen werden können. Typischerweise leitet die Plattform Nutzer strukturiert durch den Prozess des Rechtsgeschäftsabschlusses und sorgt für eine Bestätigung des Abschlusses unter Ausweisung seines Inhalts. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Plattformbetreiber zuverlässig Kenntnis von solchen Aktivitäten von Anbietern erlangt, die sich zu einem bestimmten Geschäftsvorfall mit einer vereinbarten Vergütung konkretisiert haben. Abhängig von dem Geschäftsmodell, das der Betreiber verfolgt, wird häufig nur bei Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts zwischen Anbieter und Nutzer ein Entgelt fällig. Dieses Entgelt wird zumeist von Anbietern an den Plattformbetreiber geschuldet und bestimmt sich nach der Höhe der Vergütung, die die Nutzer den Anbietern zu zahlen haben. Aus diesem Grund handelt es sich nicht um eine Plattform im Sinne des PStTG, wenn eine Software es den Nutzern lediglich ermöglicht, außerhalb der angebotenen Softwarelösung vertragseinig zu werden (beispielsweise elektronisch per E-Mail; unter Verwendung eines Online-Shops, der von dem Anbieter abseits einer Plattform im Internet betrieben wird; im Rahmen eines traditionellen Ladengeschäfts). Das gilt auch dann, wenn der Nutzer erst über die von ihm und dem Anbieter genutzte Software auf das Angebot aufmerksam geworden ist (siehe auch Satz 3 Nummer 2).

Hmm, schwierig. Wir bieten ja die Möglichkeit an, innerhalb der Plattform miteinaner in Kontakt zu treten über die PN-Funktion. Endgültig verwirrend wird es kurz darauf (wir reden immer noch über §3, Absatz 1):

Satz 3 der Vorschrift nennt Ausschlusskriterien, bei deren Vorliegen es sich bei einem softwarebasierten System nicht um eine Plattform im Sinne des PStTG handelt. Satz 3 hat allein klarstellenden Charakter und beinhaltet keine materielle Regelung, die von der in Satz 1 abweicht oder diese ergänzt. Das Interesse an der mit der Regelung verfolgten Rechtsklarheit ergibt sich aus der Verbreitung von Softwarelösungen, welche die in den Nummern 1 bis 3 genannten Funktionen erfüllen. Die Regelung ist nicht abschließend. Eine Software, welche die in dem Satz 3 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, gilt nicht automatisch als Plattform im Sinne des Satzes 1. Die Nummern 1 bis 3 des Satzes 3 stehen in einem Alternativverhältnis zueinander. Eine Software, welche die in den Nummern genannten Funktionen ermöglicht, darf, wie durch das Wort „ausschließlich“ zum Ausdruck kommt, neben diesen keine weiteren Funktionen aufweisen, um eindeutig nicht als Plattform zu gelten. Erlaubt es die Software hingegen, dass ihre Nutzer über eine Chat- oder Mailfunktion unmittelbar miteinander kommunizieren oder dass die Nutzer Rezensionen abgeben, schließt dies das Vorliegen eines der Ausschlusskriterien gemäß Satz 3 aus.

Aha. Wir haben also was definiert, das ist aber nicht endgültig und schon gar nicht ausschliesslich. Eigentlich gilt es nicht, wenn wir das so beschliessen. Vielleicht aber schon. Das ist jetzt so verschwurbelt, dass die treffenste Beschreibung wohl der Ausspruch von Sokrates wäre: Ich weiss, dass ich nichts weiss. Oder kurz gesagt: Hä?

Weiter geht's: Zu "ist keine Plattform wenn" zählt, wenn nur "das Auflisten einer relevanten Tätigkeit oder die Werbung für eine relevante Tätigkeit durch Nutzer" offeriert wird. Dazu sagt der Kommentar:

Satz 3 Nummer 2 erfasst Fälle, in denen eine Software ausschließlich das Auflisten relevanter Tätigkeiten oder die Werbung für relevante Tätigkeiten ermöglicht. Dabei kann es sich beispielsweise um Preisvergleichsseiten, Branchenverzeichnisse, Produktsuchmaschinen oder Jobbörsen handeln, durch die Nutzer auf ein Angebot aufmerksam gemacht werden. Das konkrete Rechtsgeschäft wird zwischen Anbieter und Nutzer in Bezug auf die relevante Tätigkeit außerhalb dieser Portale geschlossen.

Da ist es wieder, das "ausserhalb". Seufz.

Zum Thema Vergütung nach §5(4.2) findet sich aber:

Voraussetzung für das Vorliegen einer Vergütung ist, dass die Höhe der Vergütung dem meldenden Plattformbetreiber bekannt ist oder bekannt sein müsste. Folglich gelten Beträge, die dem meldenden Plattformbetreiber aufgrund seines Geschäftsmodells oder der Art der Vergütung nicht bekannt sein können, nicht als Vergütung nach Absatz 2. Der Plattformbetreiber ist nicht verpflichtet Prozesse zu implementieren die dem Ziel dienen, für die Zwecke dieses Gesetzes Kenntnis zu der Vergütung zu erlangen.

Ergo: Wir wissen nix, weil nix wissen können. Also gibt es auch keine Vergütung, die zu melden wäre. Punkt, aus, fertig. Ich würde sagen, das ist der endgültige Killer für die Annahme, das Gesetz könnte für uns gelten.

An völlig anderer Stelle findet sich zudem eine Regelung bezüglich der Steuerpflicht bei Veräusserung von Gegenständen des täglichen Gebrauchs:

Gegenstände des täglichen Gebrauchs

Schließlich zählten in einer Übergangszeit auch Verkäufe von Gegenständen des täglichen Gebrauchs innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist zu den privaten Veräußerungsgeschäften. Dazu gehören zum Beispiel der eigene Pkw, die Möbel, das eigene Boot, der Campingwagen oder das Wohnmobil. Der Bundesfinanzhof hatte nämlich Verluste aus dem Verkauf solcher Alltagsgegenstände steuerlich anerkannt (BFH-Urteil vom 22.4.2008, IX R 29/06, DStR 2008 S. 1191).

Da bei solchen Alltagsgeschäften fast immer Verluste anfallen, hat der Gesetzgeber das BFH-Urteil allerdings ausgehebelt und in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG der Hinweis eingefügt worden, dass Veräußerungsgeschäfte mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs von der Steuerpflicht ausgenommen sind. Diese gesetzliche Neuregelung ist erstmals auf Veräußerungsgeschäfte anzuwenden, bei denen die Gegenstände nach der Verkündung der Gesetzesänderung im Bundesgesetzblatt am 13.12.2010 angeschafft wurden.


Zu solchen Gegenständen würde ich nun ohne jeden Zweifel auch Fahrräder zählen, sprich Bromptons und Zubehör - im Nitpickingmode aber vielleicht nicht zwecks Spekulationsgewinns angeschaffte und später ungefahren veräusserte Special Edition Bromptons. ;) Der Verkauf solcher ist also nicht steuerpflichtig. Ob er trotzdem gemeldet werden müsste nach dem PStG ist unklar - wenn ja wäre es aber sinnlos, denn eine Steuer fiele ja gar nicht an. Ob es im PStG eine Ausnahme gibt ist mir nicht klar - zu verschwurbelt sind die Verweise in dem Gesetz.

Conclusio​


In Summe sind wir mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht betroffen von dem Gesetz und definitiv nicht die intendierte Zielgruppe. Gerichtet ist das auf die kommerzielle Plattform-Ökonomie, sprich ebay, AirBnB, etsy, ebay Kleinanzeigen etc. - Plattformen, über die Leute an der Steuer vorbei teilweise ein erhebliches Einkommen erzielen. Die Intention des Gesetzes ist es dort Transparenz zu schaffen für den Staat über die dort erzielten Einnahmen. Da das Gesetz aber hundsmiserabel gemacht und maximal unverständlich formuliert ist ist es möglich, dass wir als Kolateralschaden mitbetroffen sein könnten, obwohl wir nicht gemeint sind. Dafür spricht schon allein: Ein "Geschäftsmodell", von dem im Gesetz immer die Rede ist, haben die Bromptonauten als nicht-kommerzielle Plattform nicht.

Für das "gilt für uns nicht" gibt es zahlreiche Indizien speziell in den Kommentaren/Ausführungsbestimmungen zum Gesetz in der Bundestagsdrucksache. Allerdings sind die Aussagen auch dort widersprüchlich - in der Summe spricht aber mehr dafür, dass wir nicht betroffen sind als dass wir betroffen sind meiner Meinung nach. Insbesondere die Tatsache, dass wir eben die ggf. gezahlten Beträge nicht kennen und nicht kennen können und diese daher gar keine Vergütung im Sinne des Gesetzes sind.

U.a. der §3 des Gesetzes, in dem die Plattform definiert ist ist freundlich gesagt "missverständlich" formuliert, um nicht zu sagen total ungeeignet. Das wundert nicht, wenn man auf Seite 48 der Bundestagsdrucksache die Definitionen für "digitale Technologien" und "Software" durchliest: Wenn hohldrehende Bürokraten in grenzenloser Kompetenzüberschätzung die Welt meinen definieren zu können und über irgendetwas herumdilettieren, von dem sie erkennbar nicht die mindeste Ahnung haben, kommt sowas dabei raus. Und das wird dann Gesetz und alle möglichen Leute müssen nun die wirkliche Welt den bekloppten Definitionen irgendwelcher Irrer anpassen. :sick:

Rechtssicherheit gibt es nicht und wird es so schnell auch nicht geben. Leider sind die Strafen sehr erheblich, die bei Gesetzesverstössen anfallen können: Bis zu 50.000€ laut §24. Für uns wäre das tödlich, aber ehrlich gesagt finde ich das erstaunlich wenig angesichts der Player, auf die das Gesetz gemünzt ist. Die Umsetzung der Vorschriften kommt so ein Unternehmen erheblich teurer... Und dass wir ernsthaft ein Bussgeld kassieren könnten glaube ich ohnehin nicht.

Was tun wir nun?​


Im normalen Wirtschaftsleben würde ich bei einer grotesken und unklaren Vorschrift wie der Vorliegenden versuchen, die Bürokratie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Sprich die zuständigen Stellen so lange zu nerven, bis sie mir eine rechtsverbindliche Auskunft erteilen. Das müssen sie nämlich. Oft klappt das und wenn nicht macht es eine gewisse boshafte Freude, dabei zuzusehen, wie sich die Bürokraten dann oft recht schnell mit ihrem Omnipotenzanspruch gleichzeitig in ihren eigenen Vorschriften verheddern und irgendwann "tilt sagen" und aufgeben. Völlige Rechtssicherheit hat man dann oft immer noch nicht, aber eine gewisse und vor allem kann man nachweisen, dass man sich ernsthaft gekümmert hat und auf die behördlichen Auskünfte verlassen und das verhindert Bussgelder.
Problem ist: Das ist ziemlich zeit- und energieaufwändig und so langweilig ist mir nicht. Die ganze Geschichte hier ist und bleibt ehrenamtliches Hobby und nichtkommerziell, es gibt auch ohne Gesetzesirrsin und Behördenschach genug zu tun hier und das wäre für uns alle viel hilfreicher.

Da wir meiner Meinung nach in jedem Fall nicht gemeint sind mit dem Gesetz und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht betroffen nach den umfänglichen getätigten Recherchen bleibt der Marktplatz offen bis auf weiteres. Wir werden abwarten, wie die weitere Entwicklung ist - da gibt es größere Player als uns, denen man die Klärung überlassen kann.
Wir werden jetzt zügig die ohnehin längst anstehenden und seit Monaten im letzten Review befindlichen Nutzungsbedingungen für das Forum fertigstellen, in denen u.a. auch der Markplatz formal geregelt ist.
Parallel dazu wird es für den Marktplatz ein Stickiepost mit Verweis auf das Gesetz und diesen Thread geben, in dem darauf hingewiesen wird, dass jeder Nutzer nicht mehr als 30 Sachen pro Jahr verkaufen darf. Erkennbar kommerzielle oder spekulative Angebote werden unterbunden/gelöscht - das hätte ich bisher ohnehin auch so gehandhabt. Aufgrund des doch geringen Volumens im Marktplatz ist das problemlos manuell "überwachbar" und damit wäre auch sichergestellt die Anforderung des Gesetzes zu erfüllen, dass ein kommerzieller Anbieter nicht in dickem Umfang Umsätze machen kann über Angebote auf dem Marktplatz. Und da die meisten Brommis unter 2000 gebraucht kosten dürfte auch das nur selten ein Thema sein - aber wie gesagt sind die ohnehin wohl ausgenommen, da Gegenstände des täglichen Gebrauchs. Sonderlocken muss man dann regeln, wenn und falls sie auftreten.

Damit sollte der Angelegenheit in pragmatischem Maße Genüge getan sein und für Euch bzw. uns alle ändert sich de facto nix.
 
Zuletzt bearbeitet:
Off topic rant zum Schluss:

Nebenbei erfährt man aus der Bundestagsdrucksache auch, welche Annahmen dem Gesetz zugrunde liegen und wie weltfremd die Kalkulationsgrundlagen sind.
Bildschirmfoto 2023-01-07 um 09.36.46.png


Es wird von 63.000 Unternehmen ausgegegangen und von 600 Plattformen (allein die Annahme von 600 Plattformen ist für sich schon ein klaer Hinweis, das Foren wie die Bromptonauten nicht gemeint sind - davon dürfte es erheblich mehr geben). Die Kosten für eine Arbeitsstunde werden mit 31,50€ bei Unternehmen und 51,20€/Stunde bei Plattformbetreibern angenommen - ziemlich grotesk. Offenbar haben die Autoren des Gesetzes wirklich absolut keine Ahnung von den tatsächlichen Kosten in Unternehmen. Laut statistischen Bundesamt betrugen die durchschnittlichen (!) Kosten pro Arbeitsstunde in Deutschland bereits 2020 37,30€ (bei erheblichen regionalen Abweichungen) und sind bis 2022 um mindestens 10% gestiegen laut Statista.
Extrapoliert man die 31,50€ auf den Jahresbruttolohn kommt man auf ein theoretisches Vollzeitbruttogehalt pro Jahr von rund 45.000€ bei einer 40h-Woche (31,50€**40h*52Wochen*0,7 für Lohnnebenkosten). Dann steht der Arbeitnehmer aber auf der Strasse, denn Kosten für Büro, Heizung, Arbeitsmittel, Möbel, Verwaltung, Reisekosten etc. sind nicht berücksichtigt. Realistischer sind also wohl irgendwas um die 37.000-39.000€ brutto. Netto wären das ca. 2400€/Monat für Verheiratete und 2100€ für einen Single. Viel Erfolg dabei, für dieses Gehalt jemanden einzustellen, der sich qualifiziert mit diesem Gesetz und dessen Umsetzung und IT-Implementierung beschäftigen kann. Und das komplett autonom und alleine - Absprachen mit irgendwelchen Kollegen, Vorgesetzen oder Fachleuten sind ja nicht vorgesehen.
Dass man für Informationspflicht und Antrag auf Teilabschlussbescheid angeblich ganze 11 Minuten brauchen soll, für das Führen von Aufzeichnungen über die Erfüllung der Pflichten 6 Minuten pro Jahr (!) und für die Plausibilitätsprüfung der Anbieter - wohlgemerkt für alle Anbieter auf einer Plattform aggregiert - 7 Minuten pro Jahr (!) macht die Sache gewiss nicht besser. Wenn der Mensch, der diese Kalkulationen verfasst hat, eine Firma leiten würde wäre er nach einer Woche pleite.
Kein Wunder, dass die Gesamtkosten für die komplette deutsche Wirtschaft für die Umsetzung des Gesetzes nach Meinung der Regierung bei lediglich 850.000 € liegen und der einmalige Aufwand für die Implementierung, erneut für die gesamte deutsche Wirtschaft, bei knapp 1,9 Mio€. Wie bekloppt und realitätsfern kann man bitte sein? Avanti Dilettanti kann man da nur sagen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wer sich über den ganzen Scheiss informieren möchte:
• über diesen Artikel bin ich auf das Thema gestossen: Ebay, Etsy und Co.: Einnahmen aus privaten Verkäufen ab 2000 Euro steuerpflichtig
• Hier ist die Kommunikation des Bundestags dazu samt diverser verlinkter Dokumente: Deutscher Bundestag - Neue Meldepflicht für Betreiber digitaler Plattformen beschlossen
• hier ist der Gesetzestext in diversen Formaten: PStTG - nichtamtliches Inhaltsverzeichnis (das pdf ist am besten lesbar in diesem Fall)
• hier ist ein Überblicksartikel: Plattformen-Steuertransparenzgesetz - alle privaten Verkäufe werden ans Finanzamt gemeldet (die Kommentare sollte man besser nicht lesen, da sind ziemlich viele Rechtsausleger dabei - und das meine ich nicht juristisch...)
Da möchte ich einmal einhaken. Zumindest einer der geposteten Links ist unnötige Panikmache, um nicht zu sagen: er verbreitet absoluten Quatsch! (Entschuldige meine Wortwahl, die Überschrift ist ja nicht von dir ersonnen!)
Für einen "normalen" / privaten Verkäufer, z.B. auf Kleinanzeigen, oder in einem Forum, hat sich steuerrechtlich NICHTS durch das neue Gesetz geändert. Weder vorher, noch hinterher (also ab 1.1.23) waren oder sind Einnahmen aus privaten Verkäufen automatisch steuerpflichtig... Das ist so hanebüchener Quatsch, leider ist solches Halbwissen überall verbreitet. Der Linktitel (erster Artikel) ist also völlig irreführend ("Einnahmen ab 2000"), dann wundern sich die Medien, wenn "Lügenpresse" geschrien wird, aber sowas trägt dazu bei... denn eine solche Überschrift ist nur aufreißerisch, um Auflagen zu verkaufen.

Grob umrissen, in "normaler" Sprache:
Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sind steuerpflichtig, schon immer. Ein solches Geschäft liegt nicht (!) vor, wenn mehr als ein Jahr zwischen Kauf und Verkauf liegt (es gibt auch Ausnahmen, z.B. bei Grundstücken, dort sind es uU 10 Jahre).
Also: Brommie kaufen, nach 1,5 Jahren privat weiterverkaufen, kein Stress.
Liegt weniger als ein Jahr zwischen Kauf und Verkauf, gibt es eine Freigrenze (meine Erinnerung beziffert diese auf 600€) für den GEWINN, verkauft man also mit Verlust: kein Stress

Einzig und allein ist es tatsächlich ärgerlich, dass man eventuell vom Fiskus kontaktiert wird, wenn man die 2000€ oder die 30 Verkäufe überschreitet. Dann muss man natürlich erklären, was wie und warum. Bei "normalen" Privatverkäufen ist es zumeist ja nachvollziehbar und eindeutig dass entweder ein Jahr zwischen Kauf und Verkauf liegt, oder zumindest ohne Gewinn verkauft wurde...

Dies ist keine Steuerberatung, ich bin kein Steuerberater. Aber simple Fakten (leider unbekannt in großen Teilen der Bevölkerung) werden leider nicht unbedingt von solchen Zeitungen ausführlich dargestell.
 
Grob umrissen, in "normaler" Sprache:
Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sind steuerpflichtig, schon immer. Ein solches Geschäft liegt nicht (!) vor, wenn mehr als ein Jahr zwischen Kauf und Verkauf liegt (es gibt auch Ausnahmen, z.B. bei Grundstücken, dort sind es uU 10 Jahre).
Also: Brommie kaufen, nach 1,5 Jahren privat weiterverkaufen, kein Stress.
Das ist die sogenannte Spekulationsfrist. Und da man normalerweise eben eh keine Gewinne macht beim Verkauf von gebrauchten Gebrauchsgegenständen ist das - wie Du richtig schreibst - für Joe und Jane Average alles kein relevantes Problem im Alltag.

Einzig und allein ist es tatsächlich ärgerlich, dass man eventuell vom Fiskus kontaktiert wird, wenn man die 2000€ oder die 30 Verkäufe überschreitet. Dann muss man natürlich erklären, was wie und warum.
Auch das gibt es schon seit Jahren. Gibt reichlich Beispiele aus den letzten 15 Jahren wo der Staat auf einmal hanebüchenerweise gewerbliches Handeln unterstellt hat, wenn jemand ausgemistet hat oder z.B. rausgewachsene Kinderkleidung auf ebay verkauft hat.
Auf der anderen Seite gibt es eben die Leute, die sich ein steuerfreies Nebeneinkommen verschafft haben über solche Plattformen illegalerweise. In den Anfangsjahren von AirBnB war das hier in Berlin ganz wild und was da an nicht ganz astreinen Dienstleistungsangeboten über ebay Kleinanzeigen abläuft will ich lieber gar nicht wissen.
Auf der anderen Seite toleriert Vater Staat solche Dinge wie CumEx, wo es um ganz andere Summen geht.

Wenn man sich das Bundestagsprotokoll durchliest findet man u.a. diese Passage:

Ziel dieses Gesetzes ist es, mehr Steuergerechtigkeit zu erreichen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die Finanzbehörden einen besseren Zugang zu Informationen erlangen, die für eine gleichmäßige und gesetzmäßige Besteuerung, insbesondere von Einkünften, die unter Verwendung digitaler Plattformen erzielt werden, erforderlich sind. Dafür sollen die Grundlagen für eine intensive und effiziente Zu- sammenarbeit der Steuerbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Bereich der direkten Steuern verbessert werden.
Außerdem sind die steuerverfahrensrechtlichen Bestimmungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Durchführung von Außenprüfungen, punktuell zu modernisieren. Der Trend, die Außenprüfung in Deutschland zeitnäher durchzuführen und allgemein zu beschleunigen, besteht bereits seit Mitte der 1990er Jahre. Hauptgründe hierfür sind insbesondere das Bedürfnis nach einer verbesserten Praktikabilität der Außenprüfung sowie der internationale Einfluss durch parallele Entwicklungen im Ausland. Erste Schritte zu einer bundesländerübergreifenden Beschleunigung der Außenprüfungen erfolgten mit der Regelung in § 4a BpO (vgl. Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung – Betriebsprüfungsordnung – (BpO 2000) vom 20. Juli 2011, BStBl I S. 710), in dem die zeitnahe Betriebsprüfung als eine weitere Möglichkeit der Durchführung einer Betriebsprüfung normiert wurde. Gleichwohl wurde hierdurch noch keine wesentliche und auch keine bundeseinheitliche Beschleunigung erreicht.
In der Praxis hat sich herausgestellt, dass der teilweise lange Zeitraum zwischen Prüfungsbeginn und dem Abschluss einer Außenprüfung für die Steuerpflichtigen eine erhebliche Belastung darstellen kann. Um die damit verbundenen Bürokratiekosten zu mindern und gegebenenfalls aufgedeckte Steuernachforderungen zeitnäher verwirklichen zu können, sollen die verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen der Außenprüfung reformiert werden.


Es geht also schlicht darum schneller mehr Geld einzunehmen. Die Sache mit der Steuergerechtigkeit - na ja. CumEx und zahlreiche andere Themen strafen da massiv Lügen. Die Minderung von Bürokratiekosten kann angesichts des vorliegenden Gesetzes nur als schlechter Witz bezeichnet werden - ein unfähiger Haufen Bürokraten optimiert da das System für sich selbst und bürdet anderen dafür immense Aufwände auf und maximale Rechtsunsicherheit. Es ist halt wirklich maximal dilettantisch gemacht, von Leuten, die eine sehr eigenwillige Perspektive haben. Das ist auch im letzten Teil der Begründung des Gesetzes zu erkennen. Da steht nämlich:


C. Alternativen

Keine. Die Richtlinie (EU) 2021/514 ist nach ihrem Artikel 2 Absatz 1 bis zum 31. Dezember 2022 in nationales Recht umzusetzen.


Man hat also auf den letzten Drücker (im November 2022) einen Gesetzentwurf eingebracht, der als alterntivlos behauptet wird. Es aber ganz gewiss nicht ist. Es wäre selbstverständlich problemlos möglich, ein besseres, einfacheres, eindeutigeres und verständlicheres Gesetz zu schreiben und zu verabschieden. Bloss verstehen die gesetzerstellenden Bürokraten wahrscheinlich noch nicht mal, daß und warum das Vorgelegte problematisch (um nicht zu sagen katastrophal) ist. Und noch weniger, wie grotesk ihre zugrundeliegenden Annahmen sind. Was die Lohnkosten angeht habe ich z.B. noch eine hübsche Grafik gesichtet - keine Ahnung wie belastbar die ist, als Zahlenquelle ist die OECD angegeben:

1673096103652.png

Demnach sind die Arbeitskosten in Deutschland doch "geringfügig" höher, als die Behauptungen der Bürokraten - und das sind Zahlen von 2020. Und das Tragische ist: Der Grund, warum sie sich so dramatisch von den tatsächlichen Einkünften er Arbeitnehmer unterscheiden ist staatliches Handeln, sprich Bürokratie. Ein Arbeitnehmer hat in der Regel nicht die leiseste Vorstellung davon, was für lustige staatliche Vorschriften, Ämter und Anforderungen es gibt, die mal "so nebenbei" von Unternehmen bedient werden müssen mit einem Irrsinnsaufwand und ebensolchen Kosten. Der Staat ist ein fürchterlicher Moloch und jeder Unternehmer steht eigentlich immer mit einem Fuß im Knast, weil es vollkommen unmöglich ist, alle diese Anforderungen zu kennen und korrekt zu bedienen. Und wenn man das täte hätte man keine Zeit für irgendwas anderes mehr, schon gar nicht für die eigentliche Tätigkeit des Unternehmens.
Den großen Unternehmen ist das egal; die können den Aufwand stemmen, entwickeln sich Stück für Stück selbst immer weiter zur Behörde (und werden so immer ineffizienter und bürokratischer), bedienen einen Teil der Anforderungen und andere ignorieren oder umgehen sie ungestraft. Den internationalen Konzernen ist noch viel mehr egal, den Amazons dieser Welt zumal - an die traut sich keiner ran und kommt auch keiner ran. Die sind zu gross, zu mächtig und zu komplex.
Die ganz kleinen Selbständigen werden schon hinreichend genervt, kriegen aber vergleichsweise wenig ab an Anforderungen. Lustig wird es ab ca. 15 Mitarbeitern aufwärts, sprich bei den inhabergeführten kleinen Mittelständlern. Die sind fest im Zangengriff der staatlichen Bürokratie, in permanenter Bedrohung durch irgendeinen staatlichen Akteur, dessen Vorschriften sie aus Unkenntnis nicht oder nicht korrekt bedient haben könnten und es gibt kein Entrinnen.
Und dann wundert man sich, warum eigentlich deutsche Unternehmen so wenig innovativ und so wenig international konkurrenzfähig sind.

Dass aus so einem Katastrophen-Gesetz wie dem vorliegenden dann beliebige Panikreaktionen und Falschinformationen entstehen braucht nicht zu wundern. Noch dazu bei der kurzfristigen Verabschiedung und der nichtvohrandenen Kommunikation dazu. Ich bin normalerweise wirklich gut informiert - das Ding hat auch mich kalt erwischt.
Irrlichternden Irrsinn ist man von der deutschen Gesetzgebung gewohnt, speziell wenn es um Digitales geht. Cookie-Richtlinie, Impressumspflicht, Telemediengesetz, DSGVO, Leistungsschutzrecht, Abmahnungen wegen Webfonts - die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

Der nächste Irrsinn steht ja eh schon ins Haus in Form des 2023 kommenden Arbeitszeiterfassungsgesetzes. Es ist absehbar, dass wieder so eine bürokratische Kopfgeburt wird, die auf klassische Tätigkeiten mit einer dampfgetriebenen Stechuhr referenziert und absolut gar nichts mit der Wirklichkeit in modernen Unternehmen zu tun hat. Bisher war es schon so, dass das Homeoffice, das wir erfreulicherweise in besseren Unternehmen seit Corona umfänglich haben, gesetzestechnisch in 99% der Fälle illegal ist. Jetzt kommen solche Dinge wie Vertrauensarbeitszeit in den Schredder. Die Mitarbeiter in Unternehmen mit einer modernen Firmenkultur kotzen jetzt schon Strahl bei dem Gedanken daran. Ich freu mich schon drauf.
 
Zuletzt bearbeitet:
Grob umrissen, in "normaler" Sprache:
Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sind steuerpflichtig, schon immer. Ein solches Geschäft liegt nicht (!) vor, wenn mehr als ein Jahr zwischen Kauf und Verkauf liegt (es gibt auch Ausnahmen, z.B. bei Grundstücken, dort sind es uU 10 Jahre).
Also: Brommie kaufen, nach 1,5 Jahren privat weiterverkaufen, kein Stress.
Liegt weniger als ein Jahr zwischen Kauf und Verkauf, gibt es eine Freigrenze (meine Erinnerung beziffert diese auf 600€) für den GEWINN, verkauft man also mit Verlust: kein Stress

Einzig und allein ist es tatsächlich ärgerlich, dass man eventuell vom Fiskus kontaktiert wird, wenn man die 2000€ oder die 30 Verkäufe überschreitet. Dann muss man natürlich erklären, was wie und warum. Bei "normalen" Privatverkäufen ist es zumeist ja nachvollziehbar und eindeutig dass entweder ein Jahr zwischen Kauf und Verkauf liegt, oder zumindest ohne Gewinn verkauft wurde...
Die Gewinne (aus privaten Veräußerungsgeschäften) bleiben steuerfrei, wenn der aus den privaten Veräußerungsgeschäften erzielte Gesamtgewinn im Kalenderjahr weniger als 600 Euro betragen hat (§ 23 Abs. 3 Satz 5 Einkommensteuergesetz – EStG –). Die Freigrenze bezieht sich also nicht auf jedes einzelne Veräußerungsgeschäft.

Vom Fiskus dürfte man aufgrund von Plattform-Meldungen realistischerweise dann kontaktiert werden, wenn man bisher gar nicht steuerlich geführt wurde, oder wenn man Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in seiner Einkommensteuererklärung nicht anspricht, obwohl man sie gehabt hat.
 
Zurück
Oben