Ofenpass, Pass Umbrail, Stilfser Joch und Albulapass 2015

Tipsi

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Velotour 2015: Ofenpass - Pass Umbrail - Stilfser Joch - Albulapass
29. Juni-3.Juli 2015
Strecke: ca. 285km
Höhenmeter: ca. 4162m


Es handelt sich hier um einen Bericht, welcher schon im alten Forum zu lesen war. Er wurde aber teilweise den neuen Möglichkeiten von diesem Forum angepasst und stellenweise ergänzt.

Für diese Tour nahm ich nicht das Tourenvelo, sondern das Brompton mit Anhänger: P-Lenker, 12 Gänge (46er Kettenblatt, Mountain Drive, SRAM 13er/15er Ritzel, Schutzbleche, Gepäckträger, SON Nabendynamo, Schwalbe Marathon, Anhänger Radical Cyclone III

Das Gebäck wog etwa 18.5kg (davon entfielen ca. 7kg Leergewicht auf den Anhänger und die Fronttasche)

Vor der Tour habe ich den Umfang vom Vorderrad für die Kilometerzählung eingemessen und kam nach 5 Durchgängen auf 1,307 Meter.

Meine Höhenmetermessung erfolgt Barometrisch. Sie ist auf plus 10 und minus 40 Meter genau (oder ungenau). Ich kalibrierte die Höhe nur am Morgen, nicht mehr unterwegs, da sonst auf der graphischen Auswertung diese Korrekturen als vertikale Linie unschön in die Augen stechen.

Meine Kleidung bestand aus Alltagskleider. Von den chemisch behandelten Radlerhosen oder -shirts bekomme ich Hautausschläge. An den Füssen hatte ich Wanderschuhe, welche bei grosser Hitze immer noch angenehm zu tragen sind und bei Regen keine Nässe eindringen kann.

Die Nächte verbrachten wir im Hotel, das ersparte uns Mehrgewicht für Zelt, Schlafsack und Mätteli (Schlafsackunterlage). Es war Nebensaison, so reservierten wir nicht vorher in den Hotels.

Und nun zu den Tagesetappen.
 
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1. Tag: Linthal - Näfels - Walenstadt - Bad Ragaz
Strecke: 73km / Höhenmeter: 358m

Das war ein gemütlicher Einstieg. Wir rollten leicht bergab durch das Glarnerland. Am Walensee durchquerten wir zuerst einen ca. 400m und einen ca. 200m langen Tunnel, der extra für Fussgänger und Velos durch den Fels getrieben wurde.


Velotunnel.jpg

Nun hatten wir einen schönen Ausblick auf den Walensee und einen anderen auf die Autobahn. Beim seit Jahren geschlossenen Restaurant Walensee konnte ich zum ersten mal das Brompton samt Anhänger fast 2min eine 16% Steigung hinauf bringen. Ich hoffte nachher, dass später bei den Pässen niemals so eine Steigung vorkommen wird.

Den Walensee hinter uns lassend radelten wir der Seez entlang nach Sargans. Obwohl wir neben dem Flüsslein rollten, war die Luft sehr warm und keine Spur von irgendeinem erfrischenden Wind. In Bad Ragaz war unser Tagesziel erreicht. Wir standen nun vor der Wahl, ob wir ein erfrischendes Gefühl im Gartenbad erleben möchten oder eher die Warmwasserbecken in der Therme geniessen sollten. Die Entscheidung viel uns nach diesem warmen Tag leicht.
 
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2. Tag: Bad Ragaz - Landquart - Klosters (Zernez)
Strecke: 41km / Höhenmeter: 827m

Das erholsame Bad in der Therme hat gut getan. So rollten wir durch wenig Wälder und viel offenem Gelände über Landquart, Schiers nach Küblis.

Hier wurde der Weg zeitweise beschwerlich. Wir schoben unsere Räder über unfertig geflickte Wege, schmale Fusswege und einem Brückensteg, welcher nur ein paar Zentimeter breiter war wie mein Anhänger. Und das soll der offizielle Veloweg sein? Antwort: Ja, da Hochwasser- und Gewitterschäden den Weg sehr beeinträchtigt haben.

In Klosters gaben unsere Räder nicht sympathische Geräusche von sich. Die Wärme hat den Asphalt aufgeweicht, so dass es sich anhörte, als würden feine Bläschen platzen. Am Bahnhof der Räthischen Bahn kauften wir zwei Personen- und ein Velobillete. Auf dem Bahnsteig vor dem Veloabteil wurden wir von einer Zugbegleiterin freundlich gefragt, ob wir schon Tickets für die Velos hätten. Meine Kollegin: ''Ja, eins, das andere Velo können wir zusammenklappen.'' ''Aber das da ist doch ein Veloanhänger'', mit Blick auf den Cyclon III. ''Den bauen wir zur Tasche um'', war meine Antwort und wir stiegen ein. Als sich der Zug in Bewegungs setzte und die Zugbegleiterin ein paar Minuten später bei uns die Billete kontrollierte und das verstaute Brompton und die ''Tasche'' mit einem Lächeln ansah: ''Da hat mal jemand was praktisches erfunden.''

Alt: Vielleicht an dieser Stelle der Hinweis: Falls ihr Zeit in der Schweiz mit dem Brompton verbringt und es im öffentlichen Verkehr transportiert: Immer das Brompton in der Hülle oder geeigneten Tasche verstauen. Eine Diskussion mit einem Billeteur endet im besseren Fall bei 12-15 Franken, bei einem Kontrolleur aber bei 100 Franken Zuschlag.

Neu: Nun muss das Brompton nur noch gefaltet werden. Die Verhüllung/das Einpacken kann entfallen.

Wir durchquerten den Vereinatunnel und stiegen in Zernez aus dem Zug. Hier verbrachten wir einige Zeit im Hallenbad, um unsere Beine wieder auf zu päppeln.
 
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3. Tag: Zernez - Ofenpass - Sta. Maria i.M. - Plattatschas
Strecke: 41km / Höhenmeter: 1230m

An diesem Tag durfte das Brompton und der Cyclon III zum ersten mal Beweisen, dass sie Passtauglich sind. Wir fuhren ca. eine Stunde mit vier kurzen Pausen den ersten Teil des Ofenpasses hinauf. Die Steigung schwankte irgendwo zwischen 6-8%.

Dann kam einer der schönsten Abfahrten. Während etwa vier Kilometer konnten wir ein Gefälle von ca. 1-2% mit 30km/h geniessen. Die Bremsen mussten selten gebraucht werden. Das sind Abfahrten, welche ich liebe.

Der nächste Anstieg brachten wir mit sieben Pausen und einer Zeit von etwa 1h 10min hinter uns. Auf dem Ofenpass mit 2149m Höhe genossen wir unser Mittagessen. Mein Ruhepuls war bei 105 Schläge pro Minute.


Ofenpass.JPG

Nach dem obligaten Photo beim Passschild die nächste Abfahrt ins Münstertal. Ein Schild mit folgendem Text hätte fast unsere Talfahrt unterbrochen. In schwarzen verführerischen Buchstaben stand „Schwimmbad“ darauf.

In Sta. Maria bogen wir rechts ab und begaben uns auf den ersten Teil der Fahrt zum Pass Umbrail. Nach etwa 200 Höhenmeter geschah es: Meine Kollegin bekam Schmerzen in ihrem Knie. Das war „Scheibenkleister“, denn es konnte bedeuten, die ganze Tour hier und jetzt abzubrechen. Sie biss sich auf die Zähne und wir krochen nochmals 200 Höhenmeter weiter hinauf und erreichten unser Tagesziel: Hotel Alpenrose bei Plattatschas.

Hier wurden unsere Strapazen und ihre Schmerzen im Knie mit der herrlichen Aussicht auf das obere Münstertal belohnt.

Aussicht-Alpenrose.jpg
 
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4. Tag: Plattatschas - Pass Umbrail - Stilfser Joch - Tirano (Samedan)
Strecke: 80km / Höhenmeter: 1006m

Das Knie von meiner Mitfahrkollegin hat sich dank Wärmesalbe und mehreren Stunden Pause sehr gut erholt. So krochen wir die Passstrasse hinauf.

Unterwegs wurden wir von einem Zweiergespann überholt, das mehr Anerkennung verdiente als ich: Tandemfahrer. Bei bis zu 11% Steigung mit gleicher Trittfrequenz zu radeln, das kann ich nur bewundern.

Nach 10 kleinen Pausen und acht Kilometer später kamen wir auf dem Pass Umbrail (Giogo di Sta. Maria) an. Eigentlich haben wir damit gerechnet, dass wir während etwa zwei Kilometer der Strasse vom Motorenverkehr eingestaubt werden. Erfreulicherweise ist nun die ganze Passstrasse asphaltiert.


Pass Umbrail.jpg

Hier hatten wir eine Idee, welche gleichzeitig gut und schlecht war: Wir haben zu Mittag gegessen. Gute Idee deshalb, da die Bündner Bratwurst für mich einfach ein Genuss war. Schlechte Idee darum, weil sie dann auf dem Weg zum Stilfser Joch absolut schwer im Magen lag.

Nachdem die Strasse vom Pass Umbrail in diejenige des Stilfser Joch eingemündet war, nahm der Verkehr schlagartig zu. 40 Minuten und lächerliche 3,3km später standen wir auf dem Stilfser Joch/Giogo dello Stèlvio (I) unter Hunderttausendmillionen Leuten. Okay, es waren weniger, aber auf dem ganzen Pass tummelten sich viele Motorrad-, Velorenn- und AutofahrerInnen. Und ein Schischigeschäft stand neben dem anderen und das Verkaufspersonal versuchte, irgendwelche Andenken unter die Leute zu bringen.


Schischi.jpg

Zum Glück haben wir schon gegessen, denn hier empfand ich die Atmosphäre als sehr ungemütlich. Ach ja, kurz mein Ruhepuls im Stehen gemessen: Sage und schreibe 120 Schläge pro Minute.

Und jetzt das obligate Passschildphoto, aber da waren noch drei Paare vor uns. Während dem Photographieren kam noch der Spruch: ''Ja ja, mit dem Auto auf den Pass hochfahren, dann das Velo vor dem Schild photographieren.'' Ich antwortete: ''Ne, ich packe das Klapprad in den Anhänger, den man zum Rucksack umbauen kann. So wandere ich zu Fuss von Pass zu Pass und alle glauben, ich sei hochgeradelt'', und zeigte mit den Händen auf meine Füsse, welche in Wanderschuhen steckten.


Stilfser_Joch.jpg

Dann endlich konnten wir diesen Ort mit einer schönen Abfahrt Richtung Bòrmio (I) verlassen. Unterwegs bei einem Photohalt kam uns ein Sommerlangläufer entgegen. Boah, dessen Körper bestand nur aus Muskeln. Allerdings nicht à la Schwarzenegger, sondern eher wie Bruce Lee.

Auf diesem Teilstück kam der Sensor vom SON Nabendynamo voll auf seine kosten. Es ist angenehm, während ich durch Tunnels und dunkle Galerien fahre, mich nicht ums ein oder ausschalten Lichtes kümmern muss.


Strasse_Bormio.jpg

Unterwegs bei den Photo- und sonstigen Pausen fühlte ich die Temperatur der Felgen meiner Kollegin (26 Zoll) und die vom Brompton. Meine Felgen waren immer heisser, obwohl meine Kollegin viel mehr bremste als ich. Die Temperatur der kleinen Felgen hielt sich aber in Grenzen, d.h. ich konnte sie immer anfassen, ohne gleich Brandblasen abzubekommen. Oder besser formuliert: Ich konnte meine Finger bis auf einmal ohne Probleme mehrere Sekunden an der Felge lassen.

Nach der Durchquerung von Bòrmio empfing uns ein schön warmer Gegenwind. Toll, selbst bei 2% Gefälle mussten wir in die Pedale treten, um vorwärts zu kommen. Dafür wurden wir mit einer schönen Route dem Flüsschen Adda entlang sowie dank Autobahn mit wenig Verkehr belohnt.

In Tirano hatten wir eine kurze Auseinandersetzung mit dem Billetautomaten der Rhätischen Bahn. Der Automat schluckte Euro sowie Schweizer Franken, aber unsere Euronoten wollte er einfach nicht annehmen.

Mit dem Zug fuhren wir von Tirano über Poschiavo und Berninapass nach Pontresina. Von da aus radelten wir noch ein Stück bis Samedan, wo wir mit traurigen Gesichtern vor dem Mineralbad standen, weil sie gerade schlossen.
 
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5. Tag: Samedan - Albulapass - Tiefencastel
Strecke: 50km / Höhenmeter: 740m

Auch ohne Mineralbad hatten wir vor, den letzten Pass zu überqueren, sofern das Knie meiner Kollegin immer noch mit machen würde. Nach sieben Kilometer Fahrt in der Ebene zweigte die Passstrasse ab und wir fielen wieder in unser gemächliches Tempo. Irgendwann mussten wir erschreckend feststellen, dass unser Wasser-/Süssgetränkevorrat schneller als geplant zu ende geht. So mussten wir kurz die Strasse verlassen und bei einem Landwirtschaftsbetrieb die Flaschen wieder mit Wasser füllen, denn unterwegs hatten wir keinen Brunnen gesehen.

Nach etlichen Pausen und dem Verspeisen eines Affenknochens fand auf dem Albulapass/Pass d'Alvra beim Schild die letzte Photosession statt.


Albulapass.jpg

Kurz nach dem Pass gab es eine Rundumschaupause. Meiner Kollegin fiel auf, dass die Geröllhalden sich verändert haben. Vor ein paar Jahren waren die Steine etwas Grösser als zwei drei Fäuste. Nun hatten sie einen Durchmesser bis einen halben Meter, einige sogar noch dicker. Klimaerwärmung?

Geröll.jpg

Irgendwo nach Preda oder Bergün ist die Strasse über zwei bis drei Kilometer in einem so schlechten Zustand, dass bei der Abfahrt eine Geschwindigkeit höher als 20km/h mit einem ungefederten Velo nicht mehr angenehm ist.

Ausserdem stieg nach Bergün die Temperatur langsam in den heisseren Bereich. Wenn das schon nicht genug wäre, blies uns auch noch ein Wind entgegen. Toll, das kam mir doch irgendwie bekannt vor. Auf jeden Fall beschlossen wir bei Filisur, dass wir in Tiefencastel in den Zug steigen werden.
 
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Wie hat sich das Brompton und der Anhänger bewährt?
Der Austausch der BWR gegen eine SRAM war für mich eine gute Idee. Zusammen mit dem Mountain Drive hatte ich 6 gut abgestimmte Berggänge. Die Bremsen waren völlig ausreichend und ich hatte nie ein ziehen oder leichte Schmerzen vom Bremsen in den Fingern. Der Sensor in der Lampe hat auch seinen Zweck erfüllt und ich gebe den nicht mehr her.

Zur Info: In der Zwischenzeit hat SRAM die Produktion von Nabenschaltungen eingestellt. Es wird der Tag kommen, wo es keine Ritzel mehr als Ersatzteil weder bei SRAM noch in einem Brompton-Laden gibt.

Der Anhänger Radical Cyclone III hat meine Erwartungen weit übertroffen. Er rollt sehr leicht, bietet viel Stauraum und ist bei schnellen Abfahrten ruhig und spurentreu. Es ist für mich weitaus angenehmer, das Gepäck anstatt auf dem Gepäckträger im Anhänger zu transportieren. Das Mehrgewicht von ca. 3kg gegenüber der Flugtasche auf dem Gepäckträger macht der Gewinn an Fahrkomfort wieder wett.

001.JPG (Das waren noch Zeiten)

Ausserdem konnte ich den Wagen durch Demontage der Räder und Deichsel als Tasche gratis im Zug mitnehmen.



Töfffahrer
Während der Überquerungen der Pässe trafen wir viele Motorräder an. Ich staunte nicht schlecht, dass während der ganzen Tour nur ein Motorrad ein riesen erzitternden Krach von sich gab. Als ich im 2009 den Oberalp-, Furka- und Grimselpass hinauf kroch, hatte ich das Gefühl, dass etwa jedes 6. Motorrad verbotener Weise massiv zu laut war.

Ausserdem waren die Geschwindigkeiten bis auf eine Gruppe auf dem Albulapass den Gegebenheiten angepasst und nahmen beim Überholen von uns ziemlich Rücksicht. Ungewohnt war auch, dass einige von Ihnen mich grüssten und anlachten (ich hoffe nicht auslachten). Wäre ich auf meinem normalen Strassenvelo gesessen, hätten sie mich wahrscheinlich ignoriert.



RennvelofahrerInnen
Während der ganzen Tour trafen wir immer wieder RennvelofahrerInnen an. Gefühlte 20% von Ihnen flitzten mit einem verbissenen Gesicht an uns vorbei und erwiderten unseren Gruss nicht. Und dabei meine ich nicht diejenigen, die sich auf einer schnellen Talfahrt befanden und sich auf die Strasse konzentrierten.

Nun wurde mein Bericht viel länger als geplant. Egal, er frisst ja kein Heu.

Griessli
Tipsi
 
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Hallo Tipsi,
danke, dass du den Bericht wieder eingestellt hast. Er war und ist Motivator und Mutmacher für uns, dass wir uns mit unseren Brommis auch in die Alpen getraut haben. Und natürlich mit dem Mountain-Drive.
Ich werde mal schauen, ob ich unsere Berichte auch wieder einstellen kann.

Herzlichen Gruß Rainer

PS Die Planungen fürs nächste Jahr laufen schon
 
Wunderbar, das erneut zu lesen und zu sehen. Dankeschön - auch wenn es für mich als Ebenenbewohner wirklich ganz weit weg ist😉
LG
RudiVin
 
Gern geschehen. Ich versuche, auch noch die anderen Berichte hier wieder einzupflanzen.

@R&B
Würde mich freuen, wieder einmal euren "alten" Bericht zu lesen. Bin aber auch auf euren Neuen gespannt.

@RudiVin
Ich bin mir sicher, dass es auch in der Ebene ganz tolle und schöne Plätze gibt, wo sich eine Tagesreise oder mehrtägige Tour mit dem Brommie lohnt. :)

Griessli
Tipsi
 
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