Das Moulton-Konzept, so wie es Alex Moulton in/seit den 60ern entwickelt hat, basiert ja eigentlich auf Speed. Es ist halt ein Seitenweg der Evolution, der zum einen deutlich anders ist als alle anderen Wege (und nicht nur die spannende Optik - der Mann war Techniker) und zum anderen technisch inzwischen vom Mainstream mit ganz andren Mitteln auf einem ganz anderen Weg eingeholt und vielleicht auch teilweise überholt wurde. Man sollte aber eines nicht tun: Die Dinger unterschätzen und auch nicht, annehmen, daß das was man weiss sich zwingend übertragen liesse.
Beispielsweise kann ich mit dem TSR in der Ebene problemlos die 40 km/h Marke erreichen und eine Geschwindigkeit jenseits der 35 km/h auch halten. Hatte ich noch bei keinem anderen Rad. Und wir reden hier vom oben erwähnten Rohloff TSR mit recht aufrechter Sitzhaltung. Also schwer plus miese Aerodynamik.
Bei der Aerodynamik möchte ich Dir widersprechen. Vermutlich ist diese realiter bei einem Moulton (wie auch mit Abstrichen beim Brompton) so schlecht nicht, wenn man das Gesamtsystem von tretendem Fahrer auf dem Rad betrachtet. Diese Diskussion haben wir derzeit auch bei den Rennrädern.
Den bei weitem überwiegenden Anteil des Luftwiderstandes generiert der Fahrer mit seiner Sitzhaltung und dann seiner Kleidung. Dann kommt ganz lange nichts und dann mal die Laufräder. Dann kommt wieder ganz lange nichts und dann irgendwann das Fahrrad (Rahmen und Anbauteile) selbst.
Bei Rahmen und Anbauteilen sind wir uns einig, da ist die Aerodynamik des Moulton mit Sicherheit (viel) schlechter als die eines Rennrades. Allerdings haben die kleinen Laufräder den großen Vorteil einer erheblich besseren Aerodynamik, weil die kürzeren Speichen wesentlich weniger Verwirbelungen erzeugen. Und ein weiterer Vorteil des Moulton ist eben, dass der Fahrer die gleiche Haltung einnehmen kann, wie auf dem Rennrad.
Das heißt, dass der mit großem Abstand wesentlichste Faktor (Fahrer mit Sitzhaltung und Kleidung) auf dem Moulton mit einem Rennrad identisch ist, der zweitwichtigste (Laufräder) deutlich besser. Demgegenüber sind Rahmen und Anbauteile in Relation fast vernachlässigbar.
Gleichzeitig ist das Moulton extrem steif, kann also die Antriebskräfte gut übertragen und spart sich auf realem Asphalt durch die feinfühlige Federung einiges an Verlusten. Die Reifen haben trotz der hohen Drücke natürlich höhere Rollwiderstände, die jedoch bei hohen Geschwindigkeiten auch nicht so sehr ins Gewicht fallen.
Die Steifigkeit des Rahmens mit den kleine Rädern machen es auch so geeignet für den Anbau von Verkleidungen. Genau deshalb kann der oben erwähnte Rekord immer noch Bestand haben.
82,5 km/h
Tatsächlich bin ich schon mehrfach mit meinem Moulton in Rennradgruppen mitgefahren und konnte auch gut mithalten.
Hier ein Bild von Dave Bogdan bei seiner RAAM-Teilnahme. Er war übrigens der einzige Teilnehmer, der dank der Federung im Ziel einen Stift halten und seinen Namen schreiben konnte
Vor zwei Wochen bin ich mit meinem CHPT3 mit Freunden eine Rennradausfahrt mitgefahren. Das war jetzt eher so eine Genussrunde mit Damen, deswegen habe ich mir den Spaß erlaubt, mit dem Brommie zu fahren. Auffällig war, dass wir mit einem Kumpel Seit an Seit einen Hügel mit etwa 40 km/h ohne Treten herabgerollt sind. Er auf einem modernen Scott-Rennrad mit innenliegenden Zügen, 40 mm hohen Carbonfelgen und Aero-Cockpit. Ich saß auf dem CHPT3 mit etwas gebeugten Armen, er im Oberlenkergriff, wir hatten also beide ungefähr gleiche Oberkörperneigung, sind gleich groß und schwer. Beide hatten wir enge Rennradklamotten und er konnte mir nicht davonrollen. Dieses Erlebnis ist natürlich nur anekdotisch, zeigt aber, dass die bessere Aerodynamik der kleinen Laufräder viele Nachteile der kleinen Falter durchaus kompensieren kann.
Zum Gewicht: Klar fühlt sich ein leichtes Rad viel beweglicher und schneller an. Tatsächlich muss man beim Bergauffahren aber das Systemgewicht betrachten. Nur das wirkt sich auf die effektive Zeit, die man am Berg braucht, aus. Ein Rad, das zwei Kilo schwerer ist fühlt sich langsamer und träger an. Bei einem 70 kg schweren Fahrer machen 2 kg mehr oder weniger Gewicht am Rad aber nur ca 3% Unterschied aus. Schwerere Laufräder können sogar einen Vorteil bringen, weil man einen Schwungradeffekt hat. Das ist tatsächlich mittlerweile auch wissenschaftlich untersucht. Unter uns rückwärtsgewandten Rennradfahrern wird das nur allzugerne ignoriert. Klar, ist auch einfacher für 2000 € ein Kilogramm am Rad zu sparen als 1 kg abzunehmen

