Was ist an dem Artikel denn falsch, stimmen die Zahlen? Die Farbe ist schrecklich, aber sonst halte ich das für einen passenden Artikel in der Rubrik "Modeerscheinung" für die Zielgruppe "so was habe ich schon mal gesehen".
Da ist so ziemlich jeder Satz gräßlich, falsch oder falsch interpretiert. Angefangen von der Überschrift
"Klappt doch", die der älteste Flachwitz ist, den man über Falträder machen kann. Die Unterüberschrift
"woher kommen auf einmal die vielen Falträder?" stellt eine Behauptung auf, die falsch ist ("huch, gestern waren die noch nicht da") und der Artikel beantwortet die Frage, wo sie denn nun her kommen, nicht. Die Bildunterschrift
"neue Falträder wie dieses von Brompton in apfelgrün könnten jetzt für den zweiten Fahrradboom sorgen" stellt neuerlich wilde Behauptungen auf, die völlig an jeder Realität vorbei sind: Es gab einen "ersten" Fahrradboom, der ist vorbei, Falträder könnten für einen zweiten Boom sorgen, apfelgrüne ganz besonders.
Im Artikel ist's nicht besser. Er startet mit dem Satz:
"Wie mobil eine Gesellschaft ist zeigt sich jedes mal, wenn ein Pilotenstreik ansteht und überraschend viele Menschen betroffen sind." Ein Soziologe würde sich ob dieser Behauptung die letzten verbliebenen Haare ausreissen.
"Wir sind immer auf Achse, das zeigte sich an den zunächst überlasteten Servern des Deutschlandtickets im Mai und es zeigt sich jetzt in dieser Woche an den überlasteten Servern zum Start des deutsch-französischen Freundschaftspasses für junge Menschen." Um Himmels willen. Der Soziologe schluchzt nur noch leise vor sich hin, der ITler fasst sich an den Kopf und und der Statistiker konstatiert: Kausalität und Korrelation sind nicht dasselbe, das nicht auseinander halten zu können ist eine Berufskrankheit bei Journalisten.
Ungeachtet dessen, dass es dann wohl ein Zeichen dafür ist, dass "die Gesellschaft" offenbar nicht "auf Achse" ist, wenn keine Server überlastet sind, ja das sozusagen ein Indikator dafür ist.
Mal völlig ab davon, dass nun ein viertel des Artikels vorbei ist und über das Artikelthema wurde noch gar nicht gesprochen.
"Jetzt", so heisst es,
"kommen immer mehr Klappräder dazu, Modelle, die sich überall hin mitnehmen lassen und am Wohnort das herkömmliche sperrige Rad ersetzen." Ist das so? Wohl kaum. Falträder gehören in der Verkaufssatistik zu den "Spezialrädern", zusammen mit anderen Rädern der Kategorie wie Liege- und Lastenrädern machen sie traditionell um und bei 1% der Fahrradverkäufe aus. Ist nicht so schwer rauszufinden... Die Zahlen sind geringfügig hoch gegangen vor kurzem, das liegt aber weniger an den Falträdern als an den Lastenrädern. Die im übrigen, wie die meisten anderen etwas teureren und optionalen Güter im B2C Markt, den einschlägigen Fachportalen nach in diesem Jahr durchaus Absatzschwierigkeiten haben. Davon zeugen auch die zahlreichen Sonderangebote allerorten.
Eine relevante Menge an neuen Faltradmodellen am Markt nehme ich nicht wahr - und behaupte einfach mal, dass ich mich damit in den letzten x Jahren "geringfügig" intensiver beschäftigt haben dürfte als die Autorin des Artikels. Sprich: Sie stellt wilde Behauptungen auf, die keinerlei erkennbare Grundlage haben.
"Mehr als 100 Millionen Umsatz waren es jüngst, eine Steigerung von 40% im Vergleich zum Vorjahr." schreibt die Autorin über Bromton. Dieses "jüngst" bezieht sich allerdings auf das
Finanzjahr 2022, das im April 2021 startete und im März 2022 endete. Also vor über einem Jahr und mitten im allgemeinen Corona-Fahrradboom...
"Während andere Fahrradhersteller nicht liefern konnten hatte Brompton die Lagerhaltung für Einzelteile, die es zum Bauen eines Fahrrades braucht, aufgestockt." Interessant. Jetzt wird aus der Behauptung: "Auf einmal gibt es überall Falträder, ganz viele und das ist ein nach-Corona-Boom bzw. könnte einer werden" ein "Brompton konnte im Gegensatz zu anderen Fahrradherstellern
während Corona Fahrräder liefern".
Es gab, so schreibt sie, einfach keine Fahrräder zu kaufen -
"bis auf diese Klappteile". Dass es so einfach gewiss nicht war kann wohl jeder Bromptonhändler bestätigen und zwar bis heute. Und die (ohnehin grotesk falsche) Behauptung, dass die Leute aus schierer Verzweiflung Falträder kauften, weil es keine anderen gab ist wohl kaum ein Beleg für einen Modetrend zum Faltrad sondern wohl eher für das Gegenteil. Denn ansonsten wäre z.B. der Trabbi in der DDR ein Modeartikel gewesen.
"Die deutschen Bahn hat schon reagiert. Seit Anfang Juni gibt es das Brompton in der DB-Edition in Schwarz zu Mieten, für 41 Euro. Die Server sind noch zu erreichen."
DB-Edition? Really? Die Bahn ist Vertriebspartner (oder wegen mir auch Kooperationspartner) von Brompton für deren Mietmodell, das es in UK seit Jahren gibt und dass es das nun auch in .de gibt ist u.a. die Folge eines Pilotprojeks, das die Bahn mit Brompton at small scale vorher ausprobiert hat. Also auch hier gleich mehrere Behauptungen, die einer auch nur oberflächlichen Behauptung nicht standhalten:
1. es gibt ein Brompton DB-Sondermodell. -> nö, gibt es nicht
2. die Bahn hat auf den plötzlichen Nachfrageboom bei Brompton reagiert -> wohl kaum, das lief schon Jahre vorher
3. Die Server sind noch zu erreichen: Bedeutet wohl in der Denke der Autorin, dass das Angebot nicht auf große Nachfrage stösst. Das wissen wir nicht, die behauptete Kausalität ist allerdings sowieso Unsinn.
Wie gesagt: Da hat jemand mit x Jahren Verspätung ein paar Falträder gesehen, sich den Firmennamen gemerkt, nimmt an, dass die eigene verbogene Wahrnehmung absolut richtig und revolutionär ist und weil man ja Modejournalistin ist glaubt sie gleich, als allererste einen Trend gewittert zu haben. Und schlampt daraufhin einen Artikel zurecht ("phantasiert" wäre wohl die bessere Formulierung) in der die Tatsachen bei noch so viel zurechtbiegen offensichtlich nicht zu den Behauptungen passen und das notorische Behaupten von Korrelation als Kausalität, ob nun aus Absicht oder Blödheit, muss man wohl schon als Desinformation verbuchen.
Dass von einem Faltradboom und angeblich vielen neuen Modellen auf dem Markt die Rede ist, ausser Brompton ein anderer Hersteller aber noch nicht mal erwähnt wird zeugt nicht gerade von Marktkenntnis. Die Behauptung, man könne die Räder überall hin mitnehmen von keinerlei Ahnung - ausser mit dem Brompton geht das bekanntlich nicht so einfach.
Dass die Behauptungen im Artikel noch nicht mal zueinander passen, wenn man der Argumentationslinie der Autorin folgt tut ein Übriges.