Furkapass 2016

Tipsi

wohnt im Forum
Velotour 2016: Furkapass
1. -7. August 2016
Strecke: ca. 653km
Höhenmeter: ca. 6148m



Dieser Bericht hatte ich im Jahre 2016 angefangen und über Jahre hinweg nicht mehr beachtet. Nun, Anfang 2023 widmete ich mich der Sache nochmals, aber leider sind mir einige Erinnerungen nach sechseinhalb Jahren flöten gegangen, worunter vor allem die letzten beiden Tage litten. Meine innere Stimme gab es eigentlich offiziell erst seit dem Jahre 2020, aber sie existierte natürlich 2016 auch schon bereits.


Links/Verweise hüpfen auf …
map.veloland.ch (Karte)
Swiss Geoportal (Karte)
Quäldich.de - Hauptsache bergauf für Rennradfahrer (Pässebeschreibungen)
Eingestellte-Bahnen.ch
… upload.wikimedia.org
bromptonauten.cc



Brompton
P-Lenker, 12 Gänge (46er Kettenblatt, Mountain Drive, SRAM 13er/15er Ritzel), Schutzbleche, Gepäckträger, SON Nabendynamo (P12RD), Schwalbe Marathon


Anhänger, Tasche und so
Radical Cyclone III (Trekking)
T-Bag

Leergewicht: ca. 7kg (Tasche und Anhäger zusammen)
Gepäck: ca. 13kg
Total: ca. 20kg

Damals packte ich Kleider nur für sieben Tagen ein. Als ich ausserdem die Faserpelzjacke in der Hand hielt, meldete sich meine innere Stimme: „Was willst Du mit diesem Faserpelz?“ Ich antwortete: „Der gibt mir warm, wenn es eiskalt wird.“ - „Okay, du hast ja schon einige Velotouren über die Pässe hinter dir. Wann hast Du je den Faserpelz gebraucht?“ - „Öhm, eigentlich nie.“ - „Eben. dann lass ihn zu Hause, da sparst du ein bisschen Gewicht. Und die Handschuhe gleich auch.“ - „Gute Idee, Handschuhe trug ich auch nie, denn es war und ist ja Sommer und bis jetzt bin ich um diese Jahreszeit immer mit T-Shirt oder maximal mit Pullover die Pässe runtergesaut.“ So liess ich die Handschuhe in der Schublade und der Faserpelz blieb im Schrank hängen.



Höhenmessung
Barometrisch, Abweichung auf dem Furkapass: -53Hm


Folgende Tagesetappen...
... hatte ich mir vorgenommen:
  1. Muttenz-Oberer Hauenstein-Bern-Düdingen
  2. Düdingen-Fribourg-Vevey-Monthey
  3. Monthey-Martigny-Sierre-Brig
  4. Brig-Blitzingen-Oberwald-Belvédère
  5. Belvédère-Furkapass-Oberalppass-Ilanz
  6. Ilanz-Chur-Landquart-Ziegelbrücke
  7. Ziegelbrücke-Zürich-Bözberg-Muttenz

Hier folgen nun die Tagesetappen.
 
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1. Tag Muttenz-Oberer Hauenstein-Bern-Bösingen
Montag, 1 August 2016 (Bundesfeiertag)
Strecke: 129km / Höhenmeter: 1203m

Um etwa 9.00 Uhr bestieg ich das Brompton und rollte mehr oder weniger auf der Route Nr. 3 los. Die Strecke bis Liestal war nicht unbedingt schön. Zwar ist alles als Veloweg ausgeschildert und ich sah auch Waldränder, aber zwei Mal ging es auch durch Industriegebiete.

In Liestal stellte ich fest, dass mein Hinterteil ein klein wenig schmerzte. Das war komisch, da ich eigentlich die richtige Kombination von Unterwäsche und Hose trug. Diese hatte sich bis jetzt auf sämtlichen Touren bewährt. „Hehe, dein Ar… hat sich verändert. Auch du wirst älter“, höre ich meine innere Stimme sprechen. „Schnauze!!!“, war meine kurze Antwort.

Nun ging die Reise weiter auf der Route 54 Richtung Süden. Nach vier Kilometern habe ich Bubendorf am Rand durchquert und befand mich nun im Waldenburgertal. In diesem Tal verkehrte die einzige Schweizer Bahn, welche die Spurweite von 75cm benutzte: Das Waldeburgerli. Sie war auch die einzige europäische Bahn mit dieser Spurweite, dessen Personenverkehr nicht nur den touristischen Zwecken diente. Obwohl ich in den letzten Jahren immer wieder diese Gleise überquert hatte, war diese schmale Spurweite schon ein ungewohnter Anblick, denn sonst sind mir nur Tram- (Meterspur) und Eisenbahnschienen (Normalspur) geläufig. „Jep, aber leider wird diese Bahn im Jahr 2021 umgebaut auf Meterspur“, sniffte meine innere Stimme. „Da hast Du bedauerlicherweise recht. Dann wird aus einem besonderen Bähnchen eine 0815-Bahn. Schade.“ (2023: Diese umgespurte Bahn ist nun wieder in Betrieb).

Der Veloweg war nun weitaus abwechslungsreicher: Mal auf dem Trottoir der Hauptstrasse, auf Nebenstrassen durch die Dörfer und am Bach entlang, wo nicht alle Hunde gehorchten und zeitweise Kinder schrien sowie kreischten. „Nein, ich schlage keine Kinder“, und meine innere Stimme begann zu grinsen. Bis jetzt war die Neigung sehr gemütlich (zwischen 0-2%, selten bis 4%), aber bei Waldenburg ging die Fahrt auf der Hauptstrasse weiter und es wurde steiler.

Bei rund 4-5% Steigung kroch ich gemütlich mit 7-8 km/h die Strasse hinauf und überquerte eine halbe Stunde später den Jurapass Oberer Hauenstein (ohne Gepäck für Übernachtungen kroch ich schon mit 10-11 km/h diese Strecke hinauf). Auch wenn dieser Pass alles andere als hoch ist (734m ü.M.) hätte ich gerne das obligate Passschildphoto geschossen. „Es scheint, als hätte jemand das Passschild gefressen“, höre ich meine innere Stimme murren. „Ne ne“, antwortete ich, „die sind noch am Bauen. Wahrscheinlich steht es wieder, wenn die Baustelle weg ist.“

Nun folgte die Abfahrt nach Balsthal auf der Hauptstrasse. Ich fand diese sehr angenehm, da ich irgendwo zwischen 20-40km/h bergab rollte und sehr selten die Bremsen betätigen musste. Vor Balsthal schaute ich nach rechts und sah die Ruine Neu Falkenstein.

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In Balsthal hatte ich mich im Tankstellenshop mit Getränken und Zwischenverpflegung eingedeckt. Es war ja 1. August, der nationale Feiertag der Schweiz. Somit waren fast alle Läden abseits von Bahnhöfen grundsätzlich geschlossen und auf den nächsten 60km erwartete ich keine Einkaufsmöglichkeiten mehr.

Auf der Route 71 fuhr ich über Oensingen nach Aarwangen. am Schloss Aarwangen vorbei.

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Danach bog ich auf den alten Berner Weg ein (Route 34). Von nun an fuhr ich auf Nebenstrassen gemütlich von Dorf zu Dorf und traf abseits der Ortschaften selten ein Auto an. Es ging von Aarwangen über Aeschi SO, Kirchberg BE, Moosseedorf nach Bern. Ich fahre gerne diese Strecke, da bis kurz vor Bern nur ein zwei grössere Ortschschaften kamen. Die Landschaft fand ich wegen den verschiedenen Feldern auch schön und ausserdem hielten sich die Bergauf- und Abfahrten in einem angenehmen Rahmen.

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Die Fahrt durch die Stadt Bern, immer noch auf der Route 34, war auch abwechslungsreich. Zeitweise schön abseits von stark befahrenen Strassen, andererseits streckenweise mit viel Verkehr und dann wieder auf angenehmen Velowegen.

Nach dem Verlassen von der Stadt Bern befand ich mich wieder in einer schön angenehmen Landschaft, welche mich immerhin die nächsten 16km begleitete. Als ich in Laupen ankam, begann die Suche nach einem Hotel. Da ich nicht fündig wurde, rollte ich abseits der Route 34 weiter nach Bösingen und betrat gleich das erste Hotel an der Hauptstrasse, welches ich entdeckte. Dort teilte mir eine freundliche Dame mit, dass am 1. August keine Hotelzimmer vergeben werden. Als ich dann erklärte, dass ich weiter nach Düdingen rollen werde und dort ins Hotel hüpfen möchte, zählte mir die Dame sämtliche Hotels in der Umgebung auf, welche geschlossen haben. Ganz kurz erklärt: Alle.

Irgendwie erbarmte sich die Dame und gab mir trotzdem ein Zimmer (war ich froh). Etwa eine Stunde später erfuhr ich, dass noch weitere 4 Zimmer nach mir bezogen wurden.

Strecke: 129km
Höhe max: 730m ü.M.
Höhenmeter: 1203m
Geschwindigkeit Ø: 15.08km/h
Steigung Ø: 4% Max: 9%
Steigrate Ø: 3Hm/min
Trittfrequenz Ø: 78U/min
Herzfrequenz Ø: 136 Schläge/min
Kalorien: 5631kcal
Reine Fahrzeit: 8h 35min

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2. Tag: Bösingen-Fribourg-Bulle-Montreux
Dienstag, 2. August 2016
Strecke: 95km / Höhenmeter: 1081m

Der Vorteil bei einer Übernachtung im Hotel ist ja, dass man am Morgen ein Frühstück serviert bekommt. Der Nachteil hingegen, dass ich erst ca. um 9.00 Uhr wieder auf dem Sattel sass. Beim Übernachten im Zelt war ich spätestens um 7.00 Uhr wieder unterwegs, allerdings mit leerem Magen, welcher irgendwann unterwegs gefüllt werden musste.

Die ersten 6 Kilometer radelte ich abseits der Veloroute auf der Hauptstrasse von Bösingen nach Düdingen (gelbe Strasse auf der Karte). Leider war sie ziemlich schmal und befahren, so dass ich bei grossem Gegenverkehr immer wieder auf die Wiese hüpfte oder auf eine Feldwegausfahrt auswich, damit die Autos hinter mir mich gefahrlos überholen konnten. Warum tut eigentlich mein Hinterteil immer noch weh. Das hatte ich noch nie und ich konnte mir das immer noch nicht erklären. „Nein, mein A…. hat noch keine Falten, die stören würden“, schnauzte ich meine innere Stimme an.

Nach Düdingen konnte ich endlich wieder auf einem Radweg, (Route 59) durch die Gegend ziehen. Am Anfang des Lac de Schiffenen/Schiffenensee überquerte eine Brücke den Fluss La Sarine (Saane). Hier musste ich allerdings den Anhänger abhängen und ihn, nachdem ich das Brompton nach oben brachte, alleine nach oben zu ziehen.

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Hier hat sich bewährt, dass ich die Räder des Radical Design Trekking von der Mitte nach Hinten umstecken konnte.

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Die Brücke konnte ich wieder rollend überqueren, musste allerdings das Prozedere am anderen Ende wiederholen.

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Bei der Einfahrt in die Stadt Fribourg (Freiburg) verliess ich die Veloroute 59, rollte über die nächste Brücke,

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bog rechts ab und fuhr unterhalb von Schönberg nach Bourguillon. Warum ich nicht die Route weiter durch die wunderschöne Altstadt von Fribourg nahm,

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kann ich heute nicht mehr sagen (bzw. schreiben). „Aber ich schon“ meinte meine innere Stimme. „Ach ja, dann erzähl doch mal“ forderte ich sie auf. „Du hast dich verirrt.“ – „Nein, habe ich nicht.“ – „Aber sicher.“ – „Nein, bestimmt nicht.“ – „Doch.“ „Ich verirre mich nie.“ – „Ich sage nur ‚Baden’.“ – „Schnauze!“

Ich wählte dann wieder die Route 59, obwohl ich nicht genau wusste, wohin sie mich genau führen würde. In den Routenbüchlein, welche ich dabei hatte, wurden nur die grossen mit einstelliger Nummer eingezeichnet. Aber bereut hatte ich diesen Entscheid nicht, da die Fahrt bis La Roche FR abseits von Haupt-, Verbindungs- und Durchgangsstrassen sehr schön und angenehm war. Dann rollte ich am Lac de la Gruyère entlang, bis ich etwa in der Mitte des Sees bei Corbières die Route verliess und rüber nach Riaz und danach in das Städtchen Bulle einrollte. Hier nahm ich die Route 9, welche ich schon mal in der Gegenrichtung absolvierte.

Die Strecke ist wieder schön, wenig Autoverkehr dank der Autobahn, welche etwa im Abstand von 300-500m parallel zur Veloroute verlief. Irgendwo, warum auch immer, rollte ich geradeaus statt ich rechts abbog. „Ich weiss warum“, meldete sich wieder meine innere Stimme. Ich antwortete nur: „Ja ja, ich weiss: ‚Baden’.“ Nachdem auf einer längeren Strecke keine roten Velowegweiser mehr auftauchten, wusste ich, dass ich eine kleine Verlängerung genommen habe. Dank meines massiv überdurchschnittlichen Orientierungssinns, ich höre gerade meine innere Stimme husten, fand ich wieder zurück auf die Route 9.

Ein wenig später traf ich in Châtel-St-Denis ein und steuerte da in den nächsten Laden, um mein Getränke und anderer Vorrat aufzufüllen. Beim Eingag sassen ein paar SchülerInnen, welche Kuchen verkauften. Sie wollten Geld für ihr Schullager sammeln. Der einzige, der mich angesprochen hätte, wäre der Schokoladenkuchen gewesen. Doch ich wusste nicht, wie lange der schon an der ziemlich warmen Sonne lag. So spendete ich ihnen ein wenig Geld und verzichtete auf den Anblick, wie mir der Schokoladenkuchen zwischen den Fingern hindurchfloss.

Nun rollte ich weiter, zeitweise mit schönem Ausblick,

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bis ich in Vevey am See Lac Léman (Genfersee) ankam. Hier begann wieder die Hotelsuche, welche sehr ernüchtern war. Die Hotels waren entweder ausgebucht oder mit 4 bis 5 Sternen gekennzeichnet. Nach 7km und gefühlten hunderttausendmillionen Hotels später fand ich eines mit einer sehr netten Dame am Empfang, wo ich mit Händen und Füssen ein Zimmer zur Hofseite bekam.

In meinen Berichten schreibe ich sehr selten über die Hotels, da meine Ansprüche sich oft von der Allgemeinheit sehr unterscheidet. Der Preis damals betrug Fr. 100.- für ein kleines Zimmer mit einem TV-Flachgerät, welches allerdings keinen TV-Empfang bot, sondern nur über USB-Anschlüsse Medien abspielen konnte. Ausserdem war der WC-/Duschbereich nicht mit einer Türe zum Schlafbereich abgetrennt, sondern alles im selben Raum. Wenn ich also ein dickes Geschäft erledigt hätte, wäre mein Schlaf tief und ohne Erwachen gewesen. Wenigstens hatte es einen sehr kleinen Personenlift, womit ich das Brommie sowie den Anhänger und mich selber ohne Anstrengung in den dritten (oder vierten Stock? Schon länger her) befördern konnte. Der Blick in den Hof war alles andere als schön. Obwohl ich ein Zimmer zum Hof hatte, bot sich mir trotzdem ein kleiner Seeblick, wenn ich auf die WC-Schüssel stand. Das Frühstück war für meine Ansprüche völlig in Ordnung und das Personal war immer freundlich und nett. Aber der Preis für das Zimmer war nicht preiswert, sondern für die Verhältnisse von Montreux billig. Falls ich jemals wieder in diese Gegend rolle, versuche ich den See hinter mir zu lassen und ein Hotel weiter im inneren des Landes zu finden.

Nachdem ich den Frust über das Hotel(zimmer) losgeworden bin, mein Abendessen in der Pizzaria vom Hotel genoss, schlenderte ich noch ein wenig am Ufer des Lac Lémans entlang und befand mich irgendwann in mitten eines kleinen Parkfestes. Es gab verschiedene Verpflegungsmöglichkeiten, die mich aber überhaupt nicht in den Bann zogen. Sondern da war eine Anlage, welche mein Herz höher schlagen liess: Vier Trampoline, wo der Hüftgurt (Klettergurt) an mehreren Gummiseilen befestigt war. Leider haben die meisten Bungee-Tranpolin-Anlagen eine Gewichtsbeschränkung von 70 (vielleicht auch mal 80kg), womit eigentlich nur Kinder und ein paar Jugendliche darauf rumhüpfen können. Diese Anlage hier erlaubte aber bis 120kg. Somit verbrachte ich gut 5 Minuten mit Hüpfen, Vorwärts-, Rückwärtssaltos und gestreckten Bauchlandungen. War herrlich, aber nach fünf Minuten war ich richtig erschöpft.

Strecke: 95km
Höhe max: 851m ü.M.
Höhenmeter: 1081m
Geschwindigkeit Ø: 13.03km/h
Steigung Ø: 3% Max: 14%
Steigrate Ø: 3Hm/min
Trittfrequenz Ø: 76U/min
Herzfrequenz Ø: 124 Schläge/min
Kalorien: 3972kcal
Reine Fahrzeit: 7h 15min

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3. Tag: Montreux-Martigny-Sion-Sierre
Mittwoch, 3. August 2016
Strecke: 102km / Höhenmeter: 314m

Nachdem ich das Frühstück in den Kopf gedrückt habe, sass ich ein wenig später schon wieder auf dem Sattel. Die Route 1, welcher ich nun folgte, führte am Lac Léman entlang auf der Hauptstrasse und immer wieder mit Seeblick.

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Da es aber meistens einen Velostreifen hatte, war die Fahrt mehr oder weniger angenehm. Mein Hinterteil spürte ich immer noch und ich kam einfach nicht dahinter, warum.

Am Château de Chillon vorbei ...

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... rollte ich weiter nach Villeneuve, um dann der Route entlang durch ein Feuchtgebiet zu fahren. Der Einstieg war komisch, da ich mehr oder weniger über einen breiten Fussweg fahren musste. Bis dahin war dies der schmälste als Velostrecke gekennzeichneter Weg.

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Nach vier Kilometer Fahrt durch dieses schöne Feuchtgebiet führte der Veloweg nun dem Fluss Rhône entlang. Mein Blick fiel auf ein Industriekomplex auf einer Anhöhe vor mir. Was ist das genau und warum wurde es dort oben gebaut?

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Nach ein paar Recherchen zu Hause im Internet fand ich heraus, dass es sich um das Wärmekraftwerk Chavalon oberhalb von Vouvry handelte. Der Plan, aus dem stillgelegten mit Schweröl beheizten Kraftwerk ein Gaskraftwerk zu bauen, wurde aufgegeben.

Kurz vor Vouvry hörte der Veloweg einfach auf, weil eine Baustellenabsperrung und ein Container den Weg dicht gemacht haben. Dahinter ging es einige Meter eine Böschung steil hinunter. Der Veloweg wurde wahrscheinlich bei einem Hochwasser weggeschwemmt.

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Leider fand ich kein oranges Umleitungschild oder so was ähnliches, so dass ich die Rhône verliess, durch das Dorf Vouvry rollte und anschliessend wieder an die Rhône fuhr. Wenigstens wurde ich mit einem kurzen Blick auf das Château Port-du-Scex entschädigt.

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Die nächsten 20km folgte ich der Rhône. Bei einer nächsten Tour durch dieses Tal werde ich aber eine Route durch die Dörfer wählen. 20km nur Bäume, Wiesen und Wasser zu begutachten ist zwar schön, aber irgendwie nicht so abwechslungsreich, wie ich es gerne hätte. Irgendwann kam ich zu einem 30er Zonenschild. Das war im Normalfall nichts aussergewöhnliches, da damals die 30er Zonen richtig zur Mode wurden. Aber es war ein Feldweg und ich sah keine Häuser. Als ich etwa 100 Meter weit rollte entdeckte ich immer noch keine Häuser. Auch ein Dorf in weiter Ferne sah ich nicht.

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Das sind die Momente, wo ich mir vorstelle, wie der Gemeinderat zusammen sitzt und folgendes bespricht: „Meine Herren*, wir haben ein Problem. Noch ein einziges 30er-Zonenschild ist übrig. Was machen wir damit? Wir können ja den Fehler nicht eingestehen, eines zu viel bestellt zu haben.“ – „Ich habe die Idee. In 30 Jahren wollen wir ja das Gebiet Oberer Acker überbauen. Voraus schauend stellen wir das Schild dort beim Feldweg jetzt schon auf.“ Und nun steht es eben da, wo es ist.

* Hätten sich Frauen im Gemeinderat befunden, wäre die Entscheidung pragmatischer ausgefallen. 😁

Bei Martigny mit Blick auf die Burg La Bâtiaz ...

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... stattete ich dem Dorfladen einen Besuch ab, um anschliessend wieder auf der Veloroute Nr. 1 der Rhône entlang weiter Richtung Sion zu fahren. Auch hier würde ich das nächste Mal die Routen 72 und 140 nehmen und weitaus mehr durch die Dörfer rollen, denn es kam mir fast nichts interessantes vors Gesicht. In Sierre schnappte ich mir das erste Hotel, welches vor mir auftauchte. Mein Hinterteil? Immer noch aua.


Das Wallis gehört stellenweise auch zu den Kantonen, welche viele Burgen besitzen. Hier ein paar Bilder:

Ruine du Château +Tour de l'ancien Château, auch Tour de Saxon genannt:
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Tour Bayart mit Befestigungsanlage in Saillon:
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Ruines du Château Tourbillon in Sion:
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Château Basilique de Valère, auch in Sion:
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Château de Ravire (Ravouire/Rawyr) in Sierre (Siders):
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Strecke: 102km
Höhe max: 565m ü.M.
Höhenmeter: 314m
Geschwindigkeit Ø: 15.28km/h
Steigung Ø: 2% Max: 7%
Steigrate Ø: 2Hm/min
Trittfrequenz Ø: 76U/min
Herzfrequenz Ø: 120 Schläge/min
Kalorien: 3460kcal
Reine Fahrzeit: 6h 39min

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4. Tag: Sierre-Visp-Brig-Mühlebach
Donnerstag, 4. August 2016
Strecke: 73km / Höhenmeter: 866m

Nachdem ich alles Gepäck wieder verstaut hatte und auf dem Sattel sass, war es mir immer noch ein Rätsel, warum mir mein A…. schmerzte. „Du wirst alt und…“ „Nein“, unterbrach ich die innere Stimme, „ich werde nicht alt.“ – „Doch.“ – „Schnauze.“

Ich rollte auf der Veloroute 1 durch Sierre durch, überquerte die Rhône und fuhr bis zu der Stelle, wo die Autobahn aufhörte und der Motorenverkehr nun die Durchgangsstrasse benutzen musste. Und genau da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Vor dieser Velotour hatte ich den Pentaclip umgekehrt, um ein bisschen Sattelhöhe zu gewinnen. Allerdings hat sich das gar nicht bewährt und so drehte ich ihn wieder um. Nur die Sattelneigung hatte ich nicht kontrolliert. Also hüpfte ich runter vom Sattel, holte mein Allzweckwerkzeug aus dem T-Bag und senkte die Nase vom Sattel. Kurz Probesitzen und ich hörte ganz deutlich, wie sich mein Hinterteil bei mir bedankte. „Ich bekomme Konkurrenz“, meinte meine innere Stimme. „Ne ne, keine Angst. Aber es ist schön, wenn sich mal ein A….. bei mir bedankt“, gab ich zur Antwort. „Du wirst vergesslich“, sagte mir meine innere Stimme, „wirst Du nun alt?“ – „Schnauze.“

Beim Hof Pfyn sah ich auf der rechten Seite der Strasse einen Graben. Zuerst dachte ich, dass hier so etwas wie ein Kanal gebaut wurde. Als ich für diesen Bericht einen Blick auf die Karte warf, sah ich, dass an dieser Stelle damals der Tunnel der Autobahn gebaut wurde.

Ein wenig später durchquerte ich das Dorf Susten. Komisch, der Sustenpass ist doch gut 77km weit entfernt? Warum bekam er diesen Namen? Egal, nach 3km überquerte ich die Rhône… „Rotten“, unterbricht mich die innere Stimme. „Rotten?“ – „Ja, Rotten ist der deutschsprachige Namen der Rhône.“ – „Gut, dann nenne ich den Fluss immer noch Rhône.“ – „Rotten heisst er aber hier.“ – „Schnauze.“

Ich überquerte also die R..., den Fluss und bis nach Naters verlief die Route mehr oder weniger am Gewässer entlang. Als ich durch Niedergesteln rollte, musste ich natürlich noch schnell ein Bild von ein paar Steinen übereinander schiessen.

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Als ich in Raron an der Burgkirche St. Romanus vorbei an den Himmel in der Furkaregion schaute, sah ich nette Regenwolken aufziehen.

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In Naters bei Brig blieb ich bei einer abgesperrten Brücke stehen. Es war die ehemalige Eisenbahnbrücke der Matterhorn-Gotthard-Bahn MGB, wo früher die Züge aus dem Goms zum Bahnhof Brig rollten. Sie hoben diese Teilstrecke durch Naters auf, damit die Züge in Brig keine Spitzkehre mehr absolvieren mussten, wenn sie weiter nach Zermatt fahren wollten.

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Aus dem ehemaligen Bahntrasse wurde ein Veloweg (Rote Meile) gestaltet, welcher ich natürlich abfahren wollte. Die Masten, an denen früher die Ausleger für den Fahrdraht befestigt waren, liessen sie stehen und wurden mit einer Lampe ausgestattet. Der grösste Teil des Weges war er einfach eine normale „Strasse“ für Velos und Fussgänger, aber zwischendurch gab es kleine Hügel in der Fahrbahn, rechts und links so halbmondförmige Auffahrten, Bodenwellen usw. Auch so Begegnungszonen zogen an mir vorbei.

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Wer mehr sehen möchte, kann ein Video der Roten Meile von Naters bei Youtube anschauen (ist nicht von mir).

Nach dem Überqueren der zweiten ehemaligen Eisenbahnbrücke ausserhalb Naters mündete die „Rote Meile“ in die offizielle Veloroute Nr. 1 ein.

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Nun begann die Route erstmals zu steigen. Bei Mörel-Filet überlegte ich mir, ob ich weiterhin auf der Durchgangsstrasse rollen oder der Veloroute am rechten Berghang folgen soll. Da ich wusste, dass es bei Ausserbin eine Stelle gab, wo ich wahrscheinlich wegen der Steilheit und dem Schotterweg das Brompton hätte schieben müssen, fphr ich lieber auf der Durchgangsstrasse und versuchte, so oft als möglich kein langsames und fahrendes Hindernis zu sein.

Somit blieb ich auf der Durchgangsstrasse, rollte gemütlich weiter über Grengiols, Lax, Fiesch bis zur Hängebrücke bei Gitzifääsch unterhalb Fürgangen. Da die dunklen Wolken nun langsam über mir waren, überquerte ich die Hängebrücke, blickte auf beiden Seiten zum Bach runter und ging weiter rüber bis zum Weg. Da stieg ich wieder aufs Brommie und fuhr den Weg rauf bis zur Strasse, wo die Route Nr. 1 vorbei ging.

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Als ich nach rechts schaute, sah ich ziemlich weiter hinten eine komische Sitzbank. Ich radelte rüber und als ich vor dieser „Sitzbank“ stand, erkannte ich, dass diese Bank ein Snowboard darstellte.

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Auch ein Name war und der Anlass war eingraviert.

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Als ich dann noch das Plakat anschaute, welches anscheinend der Fanclub von ihr auf gehängt hatte, dämmerte es mir langsam: "Natürlich, das ist Päti Kummer, na klar."

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Meine innere Stimme brachte es anschliessend auf den Punkt: „Ja, ja. Du kennst doch diese Frau überhaupt nicht, bzw. du hast noch nie irgendetwas von ihr gehört oder gelesen.“ – „Genau.“

Ich radelte wieder das kurze Stück zurück und ein wenig später sah ich ein Hotel und jep, sie hatten noch ein Zimmer für mich frei. Als ich nach dem Duschen auf der gedeckten Terrasse sass und mein Nachtessen hinter die Kiemen schob, begann es zu regnen.

Strecke: 73km
Höhe max: 1245m ü.M.
Höhenmeter: 866m
Geschwindigkeit Ø: 12.53km/h
Steigung Ø: 5% Max: 12%
Steigrate Ø: 3Hm/min
Trittfrequenz Ø: 73U/min
Herzfrequenz Ø: 120 Schläge/min
Kalorien: 2842kcal
Reine Fahrzeit: 5h 48min

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5. Tag: Mühlebach-Oberwald-Furkapass-Tiefenbach
Freitag, 5. August 2016
Strecke: 52km / Höhenmeter: 1547m

Mehr oder weniger die ganze Nacht haben die Regentropfen an das Zimmerfenster geklopft. Schön war es, als ich beim Morgenessen nichts mehr von dem Geprassel hörte oder sah. Allerdings sah ich auch die Sonne hinter den Wolken nicht. Ich beschloss, nicht mehr auf der Durchgangsstrasse zu radeln, sondern hier abseits vom Verkehr auf der Route 1 weiter zu fahren.

Somit machte ich mich auf den Weg nach Steinhaus. Als ich dann dort ankam und eine 90 Grad Kurve nach rechts hinter mich brachte, ahnte ich nichts Gutes. In mein Sichtfeld kam eine Baustellenlatte mit folgendem Hinweis drauf:

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Ich lies mein Brompton mit Anhänger bei der Absperrung stehen und ging zu Fuss zur Brücke runter. Da sah ich dann folgende Bescherung:

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Jep, in der Nacht hat der Bach nicht nur Wasser den Lauf runter gebracht. Der Baggerführer verstand sein Handwerk und räumte Steine vor und hinter der Brücke weg, damit das Wasser wieder gut unten durchfliessen konnte. Auch der grosse schwere Brocken, welcher links unter der Brücke lag, beförderte er gekonnt ans linke Ufer. In der halben Stunde, wo ich diesem Schauspiel zusah, hatte ich auch ein nettes Gespräch mit dem Gemeindepräsidenten und einer Anwohnerin, wobei ich erfuhr, dass dies die einzige Strecke auf dieser Talseite wäre, um weiter Richtung Ulrichen zu kommen.

Na gut, ich ging zurück zu meinem Brommie, stieg rauf und rollte die Strasse runter zurück nach Mühlebach. Unterwegs stiess ich fast seitwärts mit einen Tanklastwagen zusammen, als er aus einer Hausausfahrt auf die Strasse biegen wollte. Zum Glück hatte er mich gesehen und konnte noch rechtzeitig bremsen, so dass ich an seiner Front vorbei schoss.

Auch ich konnte zwar noch bremsen, mein hinterer Pneu zog einen schwarzen Streifen auf der Strasse, aber der Anhänger drückte so stark von hinten, dass mein Brommie immer mehr mit dem Hinterteil nach rechts vorne rutschte. Ich musste die hintere Bremse lösen, damit das Hinterrad wieder in die Spur des vorderen kam. So konnte ich ohne Probleme lenken und am stehenden Lastwagen vorne mit einem kurzen Schlenker vorbei rollen. Das Absurde an der Situation war, dass ich daran dachte, wer im alten Forum behauptete, die originalen Bremsen hätten zu wenig Bremskraft (damals verbaute nach einem Test mehrerer Faltvelos Brompton England andere Bremsbacken mit besserer Bremskraft).

Kurz darauf war ich wieder in Mühlebach, überquerte die Hängebrücke und rollte wieder langsam die Durchgangstrasse hinauf. Als ich auf der Höhe des Baches war, der die Brücke mit Geröll zugedeckt hatte, sah die ganze Sache sehr beeindruckend aus. Der Bagger war weg und ein grosser Teil des Gerölls war auch von der Brücke verschwunden. Durch dieses Erlebnis habe ich gut 1h 30min verloren.

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Die Kastenbrücke, welche oberhalb der Strassenbrücke zu sehen ist, kann nicht von Fussgängern überquert werden, leider. Als ich weiter den Berg rauf kroch, kam mir ein Lächeln über die Lippen, als ich in einem Dorf folgenden Laden sah:

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Wie lange gab es schon DVDs und Blue-rays und dieses Haus war immer noch mit Videothek angeschrieben. In Blitzingen erinnerte ich mich an meinen ersten Versuch aus dem Jahre 2010, den Furkapass zu überqueren. Hier platzte mir der Pneu, weil ein Flicken, den ich damals in Visp auf das Loch im Schlauch vom Hinterrad drückte, nicht mehr hielt, eine eine Blase im Pneu bildete. Seither flicke ich Schläuche nur noch im Notfall und wechsle sie gegen einen neuen aus.

Langsam wurde der Talboden immer breiter und irgendwann kam ich in Münster VS an. Dort stockte ich meine Vorräte auf. Im nächsten Dorf Geschinen bog ich rechts ab und fuhr an einem länglichen See sowie am ehemaligen Flugplatz von Ulrichen vorbei. Hier fand ja im 2022 das Bundeslager (Bula) der Pfadi Schweiz statt. Ein paar Bilder sind ja im Bericht der Velotour „Nufenen- und Gotthardpass (Tremola) 2022“ zu sehen.

Da mir die Fahrt abseits der Durchgangsstrasse gefiel, rollte ich wieder auf der Veloroute 1 bis nach Oberwald. Dort traf ich eine Zugkomposition des Dampfbahn-Furka-Bergstrecke DFB an, allerdings mit einer Diesellok der Matterhorn Gotthard Bahn MGB bespannt.

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Hier begann dann auch das regelmässige an- und ausziehen der Regenhose und –jacke. Etwa gefühlt alle 10 Minuten fand dieses Ritual statt. Ich hätte auch die ganze Sache anbehalten können, aber eine Bergfahrt ohne Regenschutz ist weitaus angenehmer als mit. Der Vorteil war, dass ich nicht alle 50 Höhenmeter eine Pause einlegen musste.

Etwa einen Kilometer vor Gletsch hörte ich einen Pfiff. Sofort hielt ich am rechten Strassenrand an, holte meinen Photoapparat aus der Tasche und schoss folgende beiden Bilder:

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Als ich wenig später in Gletsch ankam, überlegte ich mir, hier ein Hotelzimmer zu nehmen. Mit einem Blick auf die Uhr beschloss ich aber, dass ich noch Zeit hätte, um bis zum Hotel Belvédère vor dem Furkapass zu kriechen. So rollte ich weiter, überquerte den Muttbach und kam zu den ersten Serpentinen. Es bliess ja ein leichter Wind und da ich nun im Zick-Zack den Berg hoch kroch, hatte ich entweder Rücken- oder Gegenwind. Ich wusste nicht, welchen Wind ich lieber hatte, da der Rückenwind zwar ein wenig von hinten schob, aber der ganze Schweiss von den Haaren von hinten nach vorne in mein Gesicht und in die Augen blies. Der Gegenwind bremste mich ein wenig aus, allerdings war der kühle Wind im Gesicht sehr angenehm. Als ich dann endlich beim Hotel Belvédère ankam, wurde ich stark enttäuscht. Leider war das Hotel seit gut einem Jahr geschlossen und die Fenster mit Bretter versehen.

Beim Souvenirladen fragte ich nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Die nette Verkäuferin erklärte mir, dass ich entweder zurück nach Gletsch oder über den Furkapass bis Tiefenbach fahren soll. Zurück wollte ich nicht, so kroch ich weiter bis auf die Passhöhe. Dort schoss ich das obligate Passschildphoto und stellte dabei fest, dass meine Finger langsam richtig kalt bekamen. Und da wurde mir klar, dass ich meine Handschuhe und den warmen Faserpelz zu Hause lies.

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Ein Blick auf den Thermometer vom Tacho und ich erblickte 3 Grad über Null. „Wer?“, begann ich meine Frage, „WER … hat … vorgeschlagen, den … Faserpelz … und … die … Handschuhe … zu … Hause … zu … lassen? Hä?“ Meine innere Stimme antwortete ganz leise: „Ich.“ – „Genau. DU. Ich könnte dich würgen, auf die Strasse klatschen, vierteilen und an das Passschild nageln!“ – “Wie wäre es mit konstruktiven Vorschlägen?“ – „Ich höre.“ - “Also, siehst du die Chipstüte da hinten liegen?" - "Ja." - "Und da vorne in der Pfütze schwimmt ein Haargummi." - "Das sehe ich." - "Gut, McGyver würde sich daraus ein Paar Handschuhe basteln." - "UND DAS SOLL EIN KONSTRUKTIVER VORSCHLAG SEIN? HÄ?" - "Sind wir wieder einmal misslaunig?" - "ICH KÖNNTE DICH WÜRGEN, AUF DIE STRASSE KLATSCHEN, VIERTEILEN ..." - "... und an das Passschild nageln! Du wiederholst dich. Und nun streng mal dein Gehirn an. Was hast du alles in deinem Wagen verstaut?" - "Wagenheber, Lötkolben, ..." - "Ich meine es ernst." - "Na gut: Werkzeug, Pumpe, Kleider, Landkarten, Papier, Stift, Flickzeugs für den Schlauch..." - "Kleider ist ein gutes Stichwort. Was trägst du an den Füssen?" - "Schuhe." - "Die lassen wir mal da, wo sie sind. Was zwischen deinen Füssen und Schuhe?" - "Socken." - "Schafwollsocken, genau. Und in was sind diese eingepackt?" - "In Plastiksäcke." - "Sehr gut. Und was würde ein Bromptonfahrer wie du daraus machen?" - Schweigen. Dann ging mir ein Licht auf. Im Anhänger suchte ich nach einem paar sauberen Schafwollsocken, leerte zwei kleine Plastiksäcke in den Hänger aus und verschloss ihn wieder. Erneut begann es leicht zu regnen und ich kleidete mich wieder einmal mit dem ganzen Regenzeugs an. Nun stülpte ich die beiden Schafwollsocken über die Hände (das gab warm) und darüber jeweils einen kleinen Plastiksack (wind- und wasserdicht). Zu allem Übel zog nun auch noch Nebel auf.

So rollte ich an der Häusergruppe beim Furkablick vorbei und fuhr langsam die Passstrasse runter. Da ich in den Socken den Daumen nicht unter die Lenkstange brachte, war das Halten des Lenkers alles andere als angenehm. Wegen dem Nebel reagierte auch der Sensor der Lampe nicht und ich musste unter der Tasche mit Socken und Plastiksack die Velolampe anstellen. Das dauerte ein wenig, da meine taktilen Fähigkeiten gerade sehr eingeschränkt waren.

Die Fahrt bis Tiefenbach war alles andere als Toll, denn ich musste wegen dem Nebel zu oft die Bremse ziehen und mit einer der Sichtweite angepassten Geschwindigkeit den Berg runter rollen. Und das Bremsen war wegen dem Daumen oberhalb der Lenkstange obermühsam. Ich war dann froh, als ich das Hotel sah. Leider war es ausgebucht, aber der Hotelchef sagte mir, dass ein Zimmer zwar reserviert sei, aber die beiden Personen bis jetzt noch nicht aufgetaucht waren. Wenn die beiden nicht bis 22:00 Uhr da seien, kann er mir das Zimmer geben.

So setzte ich mich ins Restaurant und bekam noch nach 21:00 Uhr ein warmes Nachtessen. Ich wollte sogar Rücksicht auf die Küche nehmen und meinte, sie könnten mir auch Reste servieren. Der Hotelchef erwiderte darauf nur, ich könne bestellen, was auf der Karte sei. Das ist alles andere als Selbstverständlich um diese Uhrzeit. Nach 22:00 Uhr bekam ich die freudige Nachricht, dass ich das Zimmer beziehen darf. Hätte ich die 1h 30min nicht wegen der Brückensperre in Steinhaus verloren, wäre ich weiter bis Realp oder Hospental gerollt und hätte dort nach einem Hotel gesucht.

Strecke: 52km
Höhe max: 2429m ü.M.
Höhenmeter: 1547m
Geschwindigkeit Ø: 8.66km/h
Steigung Ø: 7% Max: 13%
Steigrate Ø: 4Hm/min
Trittfrequenz Ø: 73U/min
Herzfrequenz Ø: 130 Schläge/min
Kalorien: 3520kcal
Reine Fahrzeit: 6h 02min

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6. Tag: Tiefenbach-Andermatt-Luzern-Rothenburg
Samstag, 6. August 2016
Strecke: 110km / Höhenmeter: 449m

Als ich mit Jacke und Regenhose und ohne improvisierten Handschuhen mit dem Brommie die Furkastrasse runterrollte, hatte ich diesmal ein Lächeln im Gesicht. Die Fahrt war schön, obwohl die Sichtweite wegen dem Nebel nur ca. 200-300m betrug. In Realp konnte ich mich dann aus der Jacke und Regenhose schälen, da die Temperatur von ca. 10° auf gut 18° stieg. Ausserdem war es hier auf ca. 1500m ü.M. Nebelfrei.

So radelte ich gemütlich Richtung Andermatt, bis mir in Hospental einerseits ein netter Turm ins Gesichtsfeld ...

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... andererseits eine Blechlawine entgegen kam.

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„Sag mal“, hörte ich meine innere Stimme sprechen, „mir fällt auf, dass wenn Du im Gotthardgebiet bist, immer Stau auf der Autobahn ist.“ „Das liegt nicht an mir“, meinte ich. „Bist Du sicher?“ – „Schnauze.“ Leider hat die innere Stimme in einem Punkt recht: Ich befinde mich im Gotthardgebiet: Stau auf der Autobahn, jedes Mal.

Ich rollte zuerst auf der Strasse, nachher auf dem Trottoir nach Andermatt, da die Autos mich kaum überholen konnten, weil es im Gegenverkehr fast keine Lücken gab. In Andermatt fiel mir die Kopfsteinplasterstrasse auf. Zwar hatte es eine Spur für Autos, damit sie ruhiger durch das Dorf fahren konnten, aber für Velofahrer wie mich kaum brauchbar, da ich immer wieder den überholenden Autos platz machen musste.

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Nach dem Aufstocken der Vorräte verlies ich Andermatt und machte mich auf die Abfahrt durch die Schöllenenschlucht. Auch diese Abfahrt genoss ich sehr, da ich einerseits mit meiner Geschwindigkeit gut mit dem Motorenverkehr mithalten konnte, andererseits in meine Richtung eh wenig Fahrzeuge unterwegs waren im Gegensatz zum Gegenverkehr. Vor Göschenen konnte ich dann diese Strasse verlassen und der Veloroute 3 durch das Dorf radeln. Anschliessend rollte ich wieder auf der Verbindungsstrasse weiter runter. Ob es diese drei farbigen Häuser bereits gab, weiss ich nicht mehr.

Ich rollte weiter runter, bis in Amsteg das Gefälle mehr oder weniger ein Ende fand. Nun ging es zeitweise nur noch leicht bergab. Bei einem Blick auf die Autobahn sah ich wieder einmal die Autos langsam rollen. Und schon damals waren die farbigen Wagen relativ selten, aber es fiel mir noch nicht auf.

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An die Ereignisse und was ich da so zwischen Amsteg und Flüelen bis nach Brunnen mit der Axenstrasse besonderes gesehen habe, weiss ich leider abgesehen zwei drei Sachen nicht mehr.

In Silenen sah ich den Meierturm.

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Die Strecke von Flüelen bis Sisikon führt über Velowege oder Velotrottoire neben der gefährlichen Durchgangsstrasse. Immer wieder gab es schöne Aussichten auf den See.

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Von Sisikon bis Brunnen fuhr ich zeitweise auf einem Veloweg, aber meistens auf dem schmalem Trottoir, da Fahrt auf Strasse zu gefährlich war. Es wird empfohlen, Bahn oder Schiff zu benutzen. Die Fahrt auf dem Trottoir kann eine Busse nach sich ziehen, allerdings wurden Fahrten auf dem Trottoir noch im 2016 tolleriert. Hier das bereits bekannte Schild aus anderen Berichten:

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Seeüberquerung auf Fähre war eine willkommene Pause und ich kam trotzdem vorwärts.

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Ab Bahnhof Luzern habe ich einen Umweg zwischen den Häusern vollzogen. Bis heute (2023) habe ich es noch nicht geschafft, den Wegweisern ab Bahnhof Richtung nach Hause richtig zu folgen. "Alt?" - "NEIN!!!" Übernachtet habe ich schlussendlich in Rothenburg in einem Hotel.

Strecke: 110km
Höhe max: 2105m ü.M.
Höhenmeter: 449m
Geschwindigkeit Ø: 16.96km/h
Steigung Ø: 3% Max: 8%
Steigrate Ø: 2Hm/min
Trittfrequenz Ø: 76U/min
Herzfrequenz Ø: 111 Schläge/min
Kalorien: 2547kcal
Reine Fahrzeit: 6h 29min

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Zuletzt bearbeitet:
7. Tag: Rothenburg-Olten-Unterer Hauenstein-Muttenz
Sonntag, 7. August 2016
Strecke: 92km / Höhenmeter: 688m

Das Morgenessen konnte ich nicht im Hotel einnehmen. Allerdings haben sie eine Vereinbarung mit der Bäckerei etwa 100m neben dem Hotel. Somit konnte ich dort mit einem Gutschein das Frühstück geniessen. Unterwegs drückte ich noch meine Nase am Schaufenster eines Velogeschäftes platt. Damals war noch die 2x11 Kettenschaltung das höchste der Gefühle der Rennvelos. 3x? war nur an den Mountainbikes zu finden. Heutzutage, im Jahre 2023, sind ja 1x12 Kettenschaltungen der letzte Schrei.

Leider hatte ich hier das gleiche Problem wie am Vortag. Meine Erinnerungen schwanden… „Du wirst alt“ – „Schnauze.“ Jedoch meine Notizen und einige Bilder gaben folgende Bruchstücke hervor.

Ich rollte mit dem Brommie auf der Route 3 nach Sempach, wo mich kurz der Hexenturm in den Bann zog.

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Dann gings am See entlang weiter nach Sursee, wechselte dort auf die Route 84 über Dagmarsellen nach Zofingen. Ich war bereits über einen Sattel (eher Sättelchen) gefahren und im Suhrental gelandet, als irgendwann rechts oben von Bäumen umgeben ein Riesenrad erschien. Ich fragte mich in dem Moment: Wer kommt auf die Idee, mitten zwischen Bäumen ein Riesenrad aufzustellen?

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In Zofingen rollte ich an einem Stadion mit Sportplätzen vorbei, wo sich oben in den verschiedenen Flutlichtanlagen Störche eingenistet haben.


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Und ja, in Zofingen habe ich auch einen kleinen Umweg über den Bahnhof gemacht. „Du hast Dich verfahren.“, stellt meine innere Stimme fest. „ICH verfahre mich nie.“ – „Baden? Luzern?“ – „Schnauze.“

An einer Tankstelle in Aarburg oder so durfte ich einem anderen Velofahrer helfen, den Pneu aufzupumpen. Er hatte irgend so eine doofes Ventil, so dass die gewöhnlichen Autopressluftpneuaufblasgeräte nicht funktionierten. Da mussten wir mit meiner alten Bromptonhandpumpe aus dem Jahre 1995 seinen Pneu füllen. War nicht komfortabel, aber es funktionierte.

Ich beschloss, den Jurapass Unterer Hauenstein zu nehmen, da er gut 60Hm tiefer war als der Oberer Hauenstein. Somit war ich schneller zu Hause, da jeder Höhenmeter einfach Zeit braucht.

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Strecke: 92km
Höhe max: 674m ü.M.
Höhenmeter: 688m
Geschwindigkeit Ø: 15.71km/h
Steigung Ø: 4% Max: 8%
Steigrate Ø: 3Hm/min
Trittfrequenz Ø: 78U/min
Herzfrequenz Ø: 117 Schläge/min
Kalorien: 2744kcal
Reine Fahrzeit: 5h 50min

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