Hallo, ich bin spät, aber da der Fragegegenstand nicht im Laden in Augenschein genmommen werden kann, springe ich mal in die Bresche.
Ich fahre seit einem Jahr Kwiggle, daneben 28er e-bike, 28er Citybike und gelegentlich ein Brompton, Leihgabe meiner Eltern. Langer Rede kurzer Sinn: der Kleine hat es faustdick hinter den Ritzeln. Ein Superteil, unschlagbar.
Am Anfang ist Panik. Der Kuh werden die Hufe in alle Kompassrichtungen gleichzeitig weggerissen. Man krallt sich fest, will das Wackelding (to wiggle: wackeln) in Ruhe halten - und genau das ist falsch. Das Kwiggle MUSS wackeln dürfen, es ist auf Instabilität ausgelegt (man erinnere sich an den Wiegetritt von Rennfahrern am Berg, nur daß die sich krümmen müssen wie eine buckelnde Katze). Irgendwann merkt man dann, man fällt ja doch nicht runter, wenn man die Griffe etwas lockert, und siehe: in das Wackeln schleicht sich ein Rythmus ein und es wird daraus ein Swing! Das ist, wenn die Magie anfängt.
Ich bin damals etwa 15-20 Minuten Ovale und Achten auf dem Garagenhof gefahren und bin dabei einige Male fast in den Büschen gelandet, aber eben nur fast. Danach noch etwa 5 Kilometer Strasse. Und dann machte es auch schon Klick und ich wurde als Kwiggler wiedergeboren.
Wichtig ist, den Sattel sehr hoch zu stellen, höher als auf einem normalen Fahrrad: ich habe ihn auf Bauchnabelhöhe. Ungewohnt.
Wichtig ist auch, den Sattel und die Hände näher beieinander als auf einem normalen Fahrrad zu haben und die Unterarme in annähernd rechtem Winkel zu halten (Lenkerhöhe). So entstehet die aufrechte Haltung und der Effekt, daß die Pedale mehr mit dem Körpergewicht als mit dem Muskel bewegt werden, was das Fahren so kraftökonomisch macht.
Ein Vornüberkippen habe ich mehrmals zu provozieren versucht, es ist mir auf ebener Fläche nicht gelungen. Unmöglich. Die Vorderbremse ist auch etwas abgedrosselt, der Bremsweg etwas länger, aber noch innerhalb der gesetzlichen Vorschriften. Ein Hintenüberkippen ist möglich und auch wahrscheinlicher als auf einem normalen Fahrrad, wenn man das Vorderrad lupft. Da sollte man nicht tun! Es sei denn, man stellt sich auf beide Pedale und sitzt nicht mehr, dann können kleine Hindernisse bis höchstens zwei Fingerbreit Höhe lupfend genommen werden. Man muß, wie auch einem Roller, etwas vorrausschauend fahren und die Fahrbahn "scannen". Ich fahre nicht im Herbst bei Nässe und Laub. Ansonsten, das Hintenüberkippen war für mich noch nie ein Thema.
So, und jetzt den Mund zum Staunen weit aufreissen! Ich fahre mit dem Teil bis etwas über 30 km/h schnell, zumeist zwischen 25 und 30. Ich brauche aber weniger Kraft als auf meinem mechanischen 28er Tourenrad. D.H. weniger Kraftaufwand, aber schneller noch als selbst mit meinem E-bike. Das ist absolut unglaublich. Ich fahre das Kwiggel nur zum Vergnügen hier in den Rieselfeldern und am Kanal (DEK), als Sport, weil Joggen nicht mehr geht. Ich bion Mitte 50, wiege 80kg bei 177cm Körpergröße. Ich überhohle praktisch alles, was kein Rennrad ist, alles, und das ist keine Übertreibiung, ich lasse auch E-bikes stehen. In meinem Rücken höre ich oft hysterisches Kichern, brüllende Rufe des Erstaunens und irgendwelche akkustischen Signale, die wohl Ungläubigkeit demonstrieren sollen. Ich werde oft angesprochen und ausgefragt, ich hatte schon einen Motorradpolizisten (!!) auf gerade leerer Strecke neben mir, wir beide rasend, und er fragte mich aus, und wie gesagt, jeder der mich sieht und "erlebt", kann es erst einfach nicht glauben. DAS DING IST SCHNELL. Sehr schnell. Und flink wie ein brünftiges Wiesel. Extrenmst wendig ist es auch bei Langsamfahrt, man wendet fast auf der Stelle. Absolute Weltspitze! Ich habe mich auch schon mal in einem Pulk Freizeit-Rennfahrer wiedergefunden, die für mich etwas drosselten, weil sie mich ausfragen wolten während der Fahrt, daher weiss ich auch so genau, wie schnell wir waren, etwas über 30 Sachen - ich auf 12 Zoll Rädern. Und auf den anderen Rädern habe ich Tachos, also, ich habe schon ein Gefühl für die Geschwindigkeiten. Da flattert nichts, die Rädern sind absolut laufruhig. Es gibt ein Video des Erfinders wie er irgendwo in den Alpen den Pass mit über 55 runterswingt. Man kommt über die Strecke und macht sie sich untertan. LOL
Die Verarbeitung ist herausragend und bestes "made in Gemany". Die Teile zumeist aus Deutschland und Italien, nur die Sattelschwinge aus China, die fand er nicht im Westen. Es gibt Licht, und eine Halterung vorne, die tatsächlich eine Satteltasche, die ich sonst auf den großen Rädern verwende, aufnehmen kann. Die Reifen von Schwalbe markieren das maximale Gewicht, das bei 100kg liegt. Sie sind keine Marathon, und daher pannenanfällig - ich hatte drei Perforationen in einem Jahr, ärgerlich. Das Kwiggel liebt den urbanen Raum, die geteerte Landstrasse, den flachen Press-Sandweg, es mag kein Kopfsteinpflaster, Waldwege mit Wurzeln und Löchern, groben Schotter. Beschleunigen dauert vielleicht etwas länger als mit einem normalen Rad, aufwärts am Hand und gegen Wind ist man etwas im Nachteil, aber ihr dürft es mir glauben wenn ich sage, ich lasse alle 28er Räder stehen, die keine Rennräder sind. Das ist keine Angeberei, sondern einfach die Wahrheit. Das Ding ist irre schnell, für seine Größe sowieso. Ich kriege sie alle. Sie können pedalieren, aber sie können nicht entkommen.
Das Zusammenfalten geht mit Übung in 15-20 sekunden, zum Auseinanderfalten werfe ich das Rad wie ein Wurfzelt: 4-5 Sekunden mit Feststellen der Verschlüsse. Das Kwiggel passt dann in die Kofferschließfächer am Hauptbahnhof, hat offizielle Handgepäckmasse von 55x40x25 bei einem Gewicht von 10 Kilo. Es gibt keine, Dreigang- und Sechsgangschaltungen. Der Erfinder hält ich glaube 4 oder 5 Dutzend Patente für Material, Fertigungsprozesse und Funktionsdesign. Der Vertrieb ist nur über Internet, das spart im Endpreis dem Kunden 800 Euro oder mehr ein. Die Verpackung ist genial, im Karton zwei Rahmen mit einer reissfesten Folie, zwischen denen das Rad frei schwebend eingeklemmt wird, es stößt an keiner Seite an die Kartonwände und liegt auch nicht auf. Brilliant gelöst. Bettin sagt, er habe bei Erstkäufern eine Rücklaufquote von unter 3 Prozent. Die Leute siod also zufrieden - und zwar sowas von! Also, der Internetvertrieb brauch wirklich niemand schrecken.
Ich habe keine Verbindung zu der Firma, ich bin nur ein restlos überzeugter und begeisterter Kwiggler. Das Teil ist genial und im Grunde genommen das kleinste, schnellste und am brilliantesten designte Faltrad der Welt. Billig, wenn man die Preise für Falträder kennt.
Hab ich alles? Ach so, die Körperhaltung. Man fährt kerzengerade, das irritiert die Leute, die Haltung erregt Aufmerksamkeit. Wie ein
englischer Gentleman, der seinen Schirm verschluckt hat, schreitet man gelassen und gerade aufgerichtet wie ein Jesus über das Wasser. Der Rahmen schwingt stark links-recht, muß und soll er auch, dabei spannt und entspannt ständig die Rücken- und Rumpfseitenmuskulatur, und dadurch kann sie nicht verkrampfen. Muskelverhärtungen treten nicht auf. Das ist ein Riesenunterschied. Der Sattel ist mehr eine "Stehhilfe".
So, jetzt aber, ich hoffe ich konnte helfen, im Laden findet man das ja nicht und so viele Zeitzeugen gibt es auch nicht. Bettin sagt, er expandiert, und wie gesagt, der Versand ist weltweit, und er hat oder will auch in Amerika Fuß fassen. Komplettinspektionen sind durch Einsenden des Rades möglich, einige Teile sind exclusiv und können vom Fahrradhändeler nicht von der stange geordert werden, es gibt sie nur extra für das Kwiggel. Kette und Bremsbeläge sind kein Problem, wie es mit Ritzeln aussieht - weiß ich nicht, hatte ich noch nicht. Bettin sagt, sie seien trotz der höherne Belastung um mehrere Faktoren abriebfester als die gewöhnlicher Räder. Wir werden sehen.
Volle Empfehlung von mir! Wer's klein, schnell und fein will, der findet nichts Besseres. Ein Rennrad für die Jackentasche.
Gute Fahrt euch allen!