Und wieder habe ich was gelernt
So ganz unrecht hat er aber nicht. Natürlich haben Schrauben ein Soll- und ein maximales Drehmoment, aber über 100 Jahre und länger kamen Fahrradmechaniker völlig problemlos ohne Drehmomentschlüssel aus. Die alte Weisheit "nach fest kommt ab" in Kombination mit dem Wissen, dass kleine Schrauben weniger Kraft brauchen und vertragen als große plus Gefühl im Arm und Erfahrung war völlig ausreichend und ist das größtenteils heute noch.
Natürlich will die Industrie immer wieder neues Zeug verkaufen und redet einem deshalb ein, man bräuchte so allerlei, das man noch nicht hat - meistens ist das jedoch Quark. Fällt einem z.B. sehr deutlich auf, wenn man in den Alpen unterwegs ist und auf bestausgerüstete Touristen trifft, die für ihr flammneues edles hochspezialisiertes Material hunderte oder gar tausende von Euro ausgegeben haben währenddessen der Einheimische irgendein billiges generisches Fetzenzeug vo Aldi verwendet (und das seit 20 Jahren) und trotzdem sowohl schneller auf dem Berg ist als auch nicht von der Bergrettung ausgeflogen werden muss...
Drehmomentschlüssel sind dort sinnvoll, wo empfindliches Material im Spiel ist. Am Fahrrad ist das im Wesentlichen Carbon. Dort gilt klar "wo rohe Kräfte sinnlos walten"... In der Summe neigen die meisten Leute nämlich dazu zu fest zu ziehen und nicht zu lose. Abseits von Carbon kommt es in der Regel auf ein bisschen mehr oder weniger nicht wirklich elementar an und wer seit vielen Jahren sein Rad wartet hat das nach einiger Zeit durchaus im Gespür, wenn die Hände nicht voller Daumen sind. Und da es am Brompton abseits des T-Line kein Carbon gibt (und auch da nur sehr wenig) kommt man da durchaus wunderbar mit Erfahrung aus.
Vor der Carbonmanie hatte auch kaum ein Radschrauber überhaupt einen DehMo oder sich auch nur Gedanken darüber gemacht - in den letzten Jahren wurde der Materialfetischismus aber recht extrem.
Wenn die Hände voller Daumen sind hilft ein Drehmomentschlüssel auch nichts - denn der will auch gekonnt eingesetzt sein. Ob das Gewinde gefettet ist oder nicht macht z.B. eine gehörigen Unterschied beim Drehmoment und dass ein Drehmomentschlüssel entspannt gelagert werden will (und theoretisch regelmässig kalbiert werden möchte) sollte man auch wissen.
Selbst arbeite ich nur sehr selten mit dem Drehmomentschlüssel und so fürchterlich viele Jahre ist der Kauf auch noch gar nicht her. In der Prioritätenliste der Werkstattausstattung würde ich ihn auch recht weit hinten ansiedeln, deutlich hinter vernünftigen Schraubenschlüsseln, -drehern, und ebensolchen Innensechskantschlüsseln. Und diversem Spezialwerkzeug wie Nippelspanner, Lenkkopflagerschlüssel etc.. Und vor allem einem vernünftigen Montageständer. Das alles kommt wesentlich häufiger zum Einsatz und ist wesentlich relevanter für Schrauberspass und Schrauberfolg.
Es spricht nichts gegen den Erwerb eines Drehmomentschlüssels - aber auch ohne geht die Welt nicht unter und wahrscheinlich schrauben deutlich über 90% der Radreparierer ohne, ob nun privat oder beruflich. Und wenn man die Historie mit einbezieht eher 99,9%.
Brauchbare Marken dafür hast Du ja schon genannt bekommen, also lass Dich nicht abhalten. Man muss und soll ja manchmal auch Sachen machen und kaufen einfach weil sie Freude machen, nicht nur weil sie notwendig sind.
