Buchreview: The Brompton - Engineering for Change (Will Butler-Adams, Dan Davies)

berlinonaut

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Im Slackkanal hatten wir das Erscheinen des Buchs vor einigem Monaten ja bereits thematisiert; mittlerweile ist es ausgeliefert und ich habe es gelesen - hier ist mein Review dazu:

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Es ist schon eine seltsame Sache mit dem Brompton: Wenn man so ein Ding erworben hat nistet es sich meist schnell unverhofft tief im eigenen Leben ein und wird oft ein essentieller Teil davon. Manchmal als lebensverändernder Gebrauchsgegenstand, manchmal als Liebhaberstück und manchmal fast schon als Haustier. Und man fragt sich: Was ist eigentlich so besonders daran? Wenn man sich mit dem Brompton beschäftigt ist das zu Beginn meist eher technisch getrieben und es kommt früher oder später ein Punkt, an dem man sich über irgendetwas wundert. Warum es diese schräge 2*3-Schaltung gibt, warum das Ding so seltsam aussieht, warum manche Dinge bei Brompton "ewig" dauern (oder gar nicht passieren) und vielleicht auch, warum es in den letzten Jahren so an Popularität gewonnen hat. Es gibt - Internet sei Dank - unglaublich viel verfügbares Material über Brompton von Testberichten über Filme und Zeitschriftenartikel über die Firma bis hin zu den jährlichen Bilanzen und diversen öffentlichen Vorträgen von Will Butler Adams und Andrew Ritchie auf Youtube. Wenn man das wirklich alles zusammensucht und zusammenpusselt ist das zeitaufwändig, gibt aber ein durchaus brauchbares tiefgehendes Bild über Produkt und Firma, das über die Technik des Rades hinausgeht.
Was die Geschichte des Rades selbst angeht gibt es seit vielen Jahren bereits das Brompton Buch von David Henshaw, 2020 in der dritten Überarbeitung und mittlerweile der vierten Auflage erschienen. Das liefert sehr solide und Umfängliche Informationen bis hin zu den Seriennummern der frühen Räder bis Bj. 2000.
Jetzt also noch ein Buch, vom Geschäftsführer persönlich. Was soll da noch kommen? Die Lektüre zeigt: Verdammt viel! Es ist eine Sache, wenn aus der Aussenperspektive Informationen zusammengetragen werden und darüber berichtet und eine ganz andere, wenn das aus der Perspektive eines verantwortlich Beteiligten passiert. Das ist das, was das Buch leistet: Es füllt eine Informationlücke, die niemand anders als Will Butler Adams füllen konnte. Er hat sich dazu mit einem Journalisten der Financial Times zusammen getan und das war eine gute Entscheidung: Das Buch liest sich sehr angenehm und es behandelt einen ganzen Blumenstrauß an Themen rund um Brompton, aus einer bisher nicht gekannten Perspektive: Der des Beteiligten und später verantwortlichen Entscheiders. Tatsächlich halte ich es für eines der besten Bücher zum Thema Unternehmertum, das in den letzten Jahren erschienen ist. Will Butler Adams schafft es, seine persönliche Geschichte bei Brompton mit der technischen Entwicklung, den Produkt- und Marktentscheidungen und dem organisatorischen wie kulturellen Unternehmensauf- und Umbau zu verbinden und das spannend erzählt und auf eine sehr transparente Art und Weise - auch Fehlschläge, Zweifel und peinliche Momente spart er nicht aus.
Was sich im Video von seinem Talk bei Google vor sechs Jahren schon andeutete zeigt im Buch einmal mehr: Er ist eine herausragend gute Führungskraft und was er bei Brompton geschafft hat und wie hätte wohl kaum ein anderer so hinbekommen. Sie haben einen echten Lucky Punch gemacht, als sie ihn damals angeheuert haben. Brompton ist trotz mittlerweile 800 Angestellter immer noch eine kleine Firma und war es noch viel mehr, als er 2002 dort gestartet ist. Die Reise von damals nach heute ist das Thema des Buches, eingeteilt in drei Teile: Im ersten Teil geht es stark um die technische Basis und die Tücken bei der Produktion - ein sehr tiefgehender und faszinierender Einblick in die damalige Manufakturproduktion und die Grundlagen des Fahrradbaus im Allgemeinen und des Brompton im Besondereren unter Berücksichtigung der dominanten Gründerpersönlichkeit Andrew Ritchie.

Im zweiten Teil geht es um die Skalierung der Firma zur heutigen Grösse - von Arbeitsorgansation über Vertriebsstrategien bis Firmen- und Innovationskultur. Das ist für mich persönlich der stärkste Teil des Buches und geradezu ein Lehrbuch für Unternehmertum. Auch erfährt man hier das, was man sonst nur raten kann: Das "warum" hinter bestimmten Entscheidungen - von Sondermodellen bis zur Verzögerung des Brompton Electric. Das ist ein "connecting the dots", das bisher gefehlt hat.

Der dritte Teil heisst "changing the world" und behandelt einerseits die Mission und Motivation von Brompton in Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Herausforderungen von Verkehr und Klimawandel, andererseits auch die möglichen Perspektiven für die Zukunft von Brompton. Auch dieser Teil ist spannend, interessant und aufschlussreich - auch wegen der sehr klaren Analyse und Statements zum Thema innerstädtischer Verkehr, die man in dieser Pointiertheit, Schonungslosigkeit und Klarheit sonst nur von Verkehrsaktivisten kennt und nicht vom Geschäftsführer eines Unternehmens mit zig Millionen Umsatz. Inhaltlich und stilistisch ist der dritte Teil in meinen Augen dennoch der schwächste Teil - es wirkt ein wenig so, als wäre er unter Zeitdruck geschrieben worden, um den Erscheinungstermin zu halten. Das merkt man auch am Layout: Das Buch ist schön bebildert, die (oft bisher nicht gesehenen) Bilder haben sowohl einen Bezug zum jeweiligen Kapitelinhalt wie auch erklärende Bildunterschriften. Im dritten Teil ist das anders: Bildunterschriften fehlen meist gänzlich, die Bilder wirken wie mit dem Zufallsstreuer ohne jeden inhaltlichen Zusammenhang platziert und es sind eher schon oft gesehene Marketingbilder. Das trifft auch auf den umfänglichen Anhang zu, in dem statt schwarz-weiss Farbbilder gezeigt werden. Viele davon sind zumindest mir wohlbekannt - anderen vielleicht nicht, so oder so hätte eine sorgfältigere Bildauswahl und vor allem eine umfangreichere textliche Unterstützung der Bilder dem Anhang sehr gut getan. So wirkt er eher wie ein Urlaubsfotoalbum, bei dem dem Ersteller ein wenig die Lust und Liebe ausgegangen ist auf den letzten Metern, die verbliebenen Fotos aber noch reinmüssen.

Dennoch: Absolute Leseempfehlung. Es passiert sehr selten, dass ich mir eine Lesebremse verordne - hier habe ich es getan und nicht mehr als ein bis zwei Kapitel am Stück gelesen, um möglichst lange etwas davon zu haben. Die ganze Angelegenheit hat incl. Anhang 390 Seiten in der von mir gelesenen Kindleversion und ich habe jede einzelne davon genossen. Das Buch ist auf Englisch, aber fluffig geschrieben und gut verständlich. Wer also Lektüre für die anstehenden Winterabende sucht und sich sowohl für Brompton wie auch für Wirtschaft und die Funktionsweise von Unternehmen interessiert wird hier sehr gut bedient. Ich würde sogar soweit gehen, daß das Buch auch für Leute ein Gewinn ist, die mit Brompton nichts am Hut haben, das käme aber wohl auf einen Versuch an.

Sachliche Fehler habe ich übrigens nur sehr wenige im Buch gefunden (z.B. wird das Erscheinen der Titanmodelle fälschlicherweise auf 2006 datiert statt 2005) und auch beschönigende Erzählplots tauchen selten auf - an vielleicht drei Stellen dachte ich mir "das ist jetzt aber schon etwas sehr rosarot gefärbt zugunsten von Brompton", im Gesamtkontext ist das aber mehr als tolerabel.


THE BROMPTON​

Engineering for Change
Will Butler-Adams, Dan Davies
Publication date: 18/08/2022
ISBN: 9781788168304
Imprint: Profile Books
£25.00
Subject: Business & Management

eBookVersion:
£17.99
ISBN: 9781782838647
ISBN 10 / ASIN: B09M7NC48G

Das gebundene Buch lässt sich über jeden Buchhändler bestellen (zur Not auch bei Amazon), die eBook-Version ist in den einschlägigen Portalen zum sofortigen Genuss verfügbar.

Hier geht's zur Verlagsseite zum Buch: The Brompton - Profile Books

Das schreibt der Verlag selbst über das Buch:

The story of the iconic Brompton bicycle and the company that built it

'A gripping story about a great British brand' Jeremy Vine
Lightweight, compact, and now, electric: the cityscape has been forever changed by the addition of the Brompton bike, with its distinctive style and clever folding design.
For over forty years, the Brompton's modular design has remained virtually unchanged. It has stood not only the test of time but every financial crash since 1976, Brexit, and COVID-19, not to mention every other risk which any business faces. Where, then, did this ingenious feat of engineering come from? Who were the minds behind it? And how did a small company grow to become one of the biggest cycling brand names in the world?
This is not only the first look behind the scenes at Brompton Bicycle Ltd, but a masterclass in entrepreneurship, manufacturing, and scaling a business.
 
Vielen Dank, habe mir das Buch geholt und bin gespannt, es zu lesen. Wenn es jemand ausgeliehen haben möchte, kann er mir gern eine PN schreiben.
 
So, ich habe es durch. Insgesamt fand ich es sehr interessant und gut geschrieben. Hier einige Fragen und Anmerkungen:

In dem Buch wird Marketing und moderne Profitoptimierung kritisiert, und davon abweichende Brompton-Werte werden hervorgehoben. Gleichzeitig enthält für mich die aktuelle Bromptonwebseite auch sehr viel Marketinggeblubber und bspw. die Sondereditionen sind doch wohl nicht nur dafür da, neue Zielgruppen zu erreichen, sondern auch zur Profitoptimierung? Und warum außer zur Profitoptimierung wurden die Federelemente vereinheitlicht?

Brompton macht vieles anders als andere Unternehmen. Es gehört meiner Meinung nach schon etwas Wahnsinn dazu, an einem so teuren Standort wie London zu produzieren. Im Buch wird so getan, als gäbe es keine echte Alternativen dazu, das finde ich spannend.

In großer Länge wird beschrieben, wie schwierig es sei, Rahmen präzise zu löten und wie wichtig es sei, zu löten, statt zu schweißen. Aber andere bekommen doch auch gute Rahmen hin? OK, die Standard-Alu-Faltrahmen sind vielleicht schwerer als ein Brompton-Rahmen, um mit größeren Toleranzen trotzdem keine Brüche zu haben (ist das so?). Insb. wird an mehreren Stellen von den Qualitätsproblem bei Fake-Bromptons geschrieben, die herrschende Meinung in Singapur war aber, die Mobot Royales seien „fast“ so gut wie die Originale. Noch dazu haben die Mobots Innovationen wie Carbonlaufräder und integrierte Tachos.

Es wird immer wieder im Buch erwähnt, dass Brompton ja so ein kleines Unternehmen mit geringen Ressourcen sei, aber andere Unternehmen sind doch ähnlich klein und bringen neue Innovationen. Bspw. schafft Helix es mal eben, Titan automatisiert in Kleinserie zu schweißen.

Ich finde es sehr spannend wie Buter-Adams Firmenwachstum beschreibt im Sinne von Managementaufgaben-Änderungen und Änderungen in der Produktionsweise. Sehr sachlich beschrieben. Es geht zwar auch um Visionen, aber es ist nicht so effekthascherisch geschrieben wie ich es aus ähnlichen Büchern gewohnt bin. Fehler werden zugegeben, ohne stark mit dem Finger auf andere zu zeigen, sehr angenehm.
 
Zuletzt bearbeitet:
So, ich habe es durch. Insgesamt fand ich es sehr interessant und gut geschrieben.
Dit ging schnell 😉
In dem Buch wird Marketing und moderne Profitoptimierung kritisiert, und davon abweichende Brompton-Werte werden hervorgehoben. Gleichzeitig enthält für mich die aktuelle Bromptonwebseite auch sehr viel Marketinggeblubber
Ja, das ist eine Stelle, wo ich auch Betriebsblindheit bzw. Schönfärberei sehe. Vor WBA gab es kein Marketing - Andrew Richie hat rein auf Empfehlungsmarketing durch zufriedene Benutzer gesetzt und sich nach allem was bekannt ist gegen jedes Marketing gewehrt - sogar gegen einen bebilderten Katalog. Eine Schreibmaschinenggetippte und dann kopierte/hektogrefierte Preisliste war genug.
Da sieht das heute anders aus und das ist auch sinnvoll und nötig, wenn man wachsen will. Dennoch geht das Brompton Marketing heute (bzw. seit grob zehn Jahren immer stärker) den Weg Richtung Lifestyle und überschreitet da häufig die Grenze zwischen sinnvoll und passend zu Lifestylebullshit. Was zugegeben auch schwierig zu maintainen ist und auch individuelle Einschätzung. Gleichzeitig halte ich das Brompton Marketing für höchst unprofessionell und schlampig, weil die Informationen ständig der Realität hinterherhinken (Sondermeodelll und neues Zubehör werden oft erst Monate nach Erscheinen gefeatured oder auf der Webseite erwähnt, oft erst dann, wenn schon längst ausverkauft). Dafür bleiben ausverkaufte Sondermodelle u.U. jahrelang auf der Webseite als angeblich aktuelles Angebot stehen.
Legendär die Nummer, als man zum expliziten "noLycra" Event "Brompton World Championships" ausgerechnet ein Lyra-Fahrradtrikot kreierte und verkaufte. Viel krasser kann man kaum beweisen, daß man die Firma und die Marke absolut null verstanden hat. Da stimmt in meinen Augen verdammt viel nicht und das schon sowohl sehr lange (seit Jahren) wie auch vorhersehbar immer wieder. Hier gibt es offenbar deutliche strukturelle Defizite bei Brompton in der internen Organsiation.
und bspw. die Sondereditionen sind doch wohl nicht nur dafür da, neue Zielgruppen zu erreichen, sondern auch zur Profitoptimierung?
Entgegen dem, was immer gerne behauptet wird, sind die Sondermodelle ausstattungsbereinigt nicht teurer als normale Modelle. Profitoptimierung gibt es also nur durch ggf. zusätzliche Verkäufe, nicht durch höhere Profite bei Sondermodellen. Sie sind aber - im gegensatz zu dem was bei Autos üblich ist - keine Sonderangebote ("sie sparen mit diesem Sondermodell durch die inclusive Zusatzausstattung xyz Euro) sondern eben preismäßig neutral (und durch die Zusatzausstattung eben ein meist ein bisschen teurer als "normale"). Es geht eben nicht um Profitoptimierung sondern um Attraktivität und Vergrösserung der Bekannt-/Sichtbarkeit. Ich halte die Ausführungen von WBA zu den Sondermodellen für absolut valide (und das Vorgehen auch für clever).

Und warum außer zur Profitoptimierung wurden die Federelemente vereinheitlicht?
Das ist Lean Production - Variabilität aus dem Produktionsprozess rausdesignen, wo sie keinen Mehrwert bringt. Das ist Flowoptimierung, Fehlerminimierung, Kostenoptimierung, Lagerhaltungsoptimierung und Effizienzoptimierung. Was am Ende natürlich zu höheren Profiten führt - das ist aber nicht das primäre Ziel sondern ein (Neben-)Ergebnis.
Problematischer finde ich das Auslisten von Ersatzteilen für ältere Räder - nsbesondere die Ritzel für die bis 2009 verbauten SRAM-6-Gang-Naben. Dadurch wird durch einen 2€-Artikel, der noch dazu ein Verschleissteil ist, ein perfekt funktionierendes Rad ab einem Alter von 10 Jahren (bei Auslistung damals) nutzlos, wenn man nicht viel Geld für ein neues Hinterrad in die Hand nimmt oder zur bastlerischen Selbstlösung greift (was tückischer als zu vermuten ist ist). Das Statment von WBA vom Langzeitrad und der Nachhaltigkeit halte ich zumindest angesichts dieses Aspekts für Schönsaufen der Wirklichkeit. Das geht in meinen Augen schon sehr deutlich gegen das proklamierte (und sonst auch vielfach gelebte) Wertesystem und -versprechen von Brompton. Bei so einem Pfennigartikel für mich absolut nicht nachvollziehbar.
In großer Länge wird beschrieben, wie schwierig es sei, Rahmen präzise zu löten und wie wichtig es sei, zu löten, statt zu schweißen. Aber andere bekommen doch auch gute Rahmen hin? OK, die Standard-Alu-Faltrahmen sind vielleicht schwerer als ein Brompton-Rahmen, um mit größeren Toleranzen trotzdem keine Brüche zu haben (ist das so?). Insb. wird an mehreren Stellen von den Qualitätsproblem bei Fake-Bromptons geschrieben, die herrschende Meinung in Singapur war aber, die Mobot Royales seien „fast“ so gut wie die Originale.
Jain. "Die herrschende Meinung" ist halt keine objektivite Qualitätsprüfung und Langzeiterfahrung auf 10 oder gar 20 Jahre gibt es nicht und schon gar keine Prüfung nach ISO-Norm, wie in der EU Vorschrift. Was die Dinger können oder nicht können kann also keiner seriös sagen. Die alten, lizensierten Neobike Brommis waren qualitativ immer sehr deutlich unter den britischen. Bei den meisten Clones ist für Bromptonkenner sehr deutlich schon auf Bildern zu erkennen, daß und wo da Abkürzungen genommen wurden oder offensichtlich überhaupt kein Verständnis des Produktes da ist sondern ledgilich stumpfes Kopieren ohne Sinn und Verstand.
Das heisst nicht, daß man Bromptons nicht aus anders bauen könnte (zw.B. geschweisst und aus Alu) - das muss aber nicht besser sein oder Vorteile haben (aber es muss auch nicht zwingend schlechter sein - es ist hauptsächlich anders). Der "handgelötete Rahmen" ist halt auch ein Qualitätsmerkmal im Sinne einer Manufakturproduktion. Auch wenn anders kein Nachteil entstünde (was man untersuchen müsste) passt es halt gut zum hochwertigen Image und zur Tradition.

Noch dazu haben die Mobots Innovationen wie Carbonlaufräder und integrierte Tachos.
Die Frage ist: Wer braucht das, wer will das und wie lange hält das, wenn ein 120 kg Brite das Ding auf dem Arbeitsweg jeden Tag über 10km Kpfsteinpflster prügelt...
Es wird immer wieder im Buch erwähnt, dass Brompton ja so ein kleines Unternehmen mit geringen Ressourcen sei, aber andere Unternehmen sind doch ähnlich klein und bringen neue Innovationen. Bspw. schafft Helix es mal eben, Titan automatisiert in Kleinserie zu schweißen.
Na ja. Peter Boutakis hat 2015 grob 1400 Helixe über Kickstarter verkauft, ~fünf Jahre später die ersten ausgeliefert (versprochen waren ca. 6 Monate) und bis heute (Herbst 2022, mehr als sieben Jahre nach Bestellung) nur grob die Hälfte der 2015 bestellten und bezahlten Räder ausgeliefert.
Das Rad ist toll, aber nutzlos (ich habe eines zuhause stehen), weil es trotz aller Versprechungen keinerlei Zubehör gibt, noch nicht mal Schutzbleche, von Gepäcktransport gar nicht zu reden. Und natürlich genau überhaupt nix vom freien Markt passt, da komplett proprietär. Mit viel Gewürge kann man man zumindest Schutzbleche irgendwie dranfummeln - schön ist das dann aber nicht. Von einem Nabendynamo brauchst Du nicht mal zu träumen. Peter ist Perfektionist, aber weder ein guter Projektmanager noch ein guter Geschäftsmann und in Sachen Kommunikation ein Totalausfall. Und vollkommen lern- und feedbackresistent.

Das Schweissverfahren ist toll und die Schweissnähte wirklich schön und eine komplett andere Liga als am Brompton T-Line. Dennoch hat es einen Rückruf der ersten paar 100 Räder gegeben wegen einer fehlerhaften Schweissnaht an der Lenksäule und die Schweisskammern auf die Strasse zu bringen hat Jahre gedauert und unendlich viel Geld und Nerven gekostet. Der Output sollte mal bei initial 25 Rädern pro Tag liegen - tatsächlich liegt er eher bei 5 Rädern pro Woche, wenn überhaupt produziert wird. Von "mal eben" kann definitiv keine Rede sein...

Am Helix ist viel Tolles - aber auch einiges nicht so Tolles (das hauptsächlich in der Firma, nicht am Rad) und von einer skalierten Produktion wie bei Brompton ist Peter so weit weg wie die Erde vom Mars. Er ist skalierungstechnisch noch nicht mal da, wo Andrew Ritchie in den späten 80er Jahren war. Aber ohne einen Investor und Business Angel wie Julian Vereker, ohne den es das Brommi heute nicht gäbe. Wird es auch nicht geben, weil Peter 100% Kontrolle haben möchte und jeglichen Rat und Fremdeinfluß verweigert. Da hat einer - genau wie Andrew Richie initial - ein Rad für sich selbst gebaut. Die Reise, die WBA im Buch beschreibt, hat Peter noch nicht mal angefangen (und ist noch weit vom Startpunkt weg) und ich bezweifele sowohl, dass er die erfolgreich hinbekäme als auch, dass er überhaupt genügend Nachfrage generieren könnte, damit sie notwendig wäre. At small scale kannst (und mußt) Du ganz andere Dinge tun als at big scale - das hat WBA ja schön beschrieben anhand der Arbeitsplätze für die Brazer im Zuge der Skalierung. Von Wirtschaftlichkeit dürfte Helix weit weg sein. Und der Inhaber hat reihenweise zahlungswillige oder gar bereits bezahlt habende Kunden verprellt. Da helfen auch keine innovativen Schweissverfahren...

Das ist genau die Leistung von WBA: Keine lokale Optimierung eines Aspekts unter Vernachlässigung anderer, sondern den ganzen Laden gleichmäßig nach vorne bringen auf allen denkbaren Ebenen. Das ist WIRKLICH nicht einfach und erfordert bei 800 Leuten sehr gute Führung.
 
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Vielen Dank für die Erklärungen und Einordnungen, @berlinonaut. Das mit Helix wusste ich nicht so genau, wusste nur, dass die dem Zeitplan weit hinterherhinken. Mit dem Ritzel-Auslisten finde ich auch eine krasse Sache.
Mit der Umstellung auf fließbandartige Produktion hat WBA auch echt Mut bewiesen, sich unbeliebt zu machen, starke Leistung.
 
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